Miteinander wohnen, wider Willen
Serie. Phoebe Waller-Bridge, die schon mit „Fleabag“irritierte, hat fürs britische Fernsehen die Geschicke einer ungewöhnlichen WG beleuchtet. „Crashing“läuft jetzt auf Netflix.
Phoebe WallerBridge hat fürs britische Fernsehen die Geschicke einer ungewöhnlichen WG beleuchtet. „Crashing“läuft auf Netflix.
London. Wohnungsmisere. Schon die Miete zweier Kellerzimmer ist für einen Durchschnittsverdiener kaum mehr leistbar. Wer einigermaßen zentral leben möchte, aber nicht über das nötige Einkommen verfügt, muss sich also etwas einfallen lassen: Zum Beispiel als Gebäudesitter in ein ehemaliges Krankenhaus einziehen. Da kann es zwar passieren, dass eine Lampe vom Plafond in die eingelassene Badewanne kracht – und beim desolaten Zustand dieser Immobilie sollte man sich besser nicht darauf verlassen, dass der FI-Schalter funktioniert –, aber dafür wohnt man gratis und bekommt als Zugabe noch ein paar Mitbewohner.
Es ist eine sehr diverse Truppe, die sich in Phoebe Waller-Bridges Serie „Crashing“– nicht zu verwechseln mit der im Juli bei uns anlaufenden gleichnamigen Serie von Judd Apatow und Pete Holmes – hier zusammenfindet: ein schüchterner Inder etwa, ein blond gefärbter Hallodri, aber auch ein biederes Pärchen: Sam und Kate wollen später heiraten und Kinder bekommen, aber damit sie ihnen ein schönes Heim bieten können, legen sie jetzt Geld auf die hohe Kante. Das Problem: Eine weitere Mitbewohnerin taucht auf, Lulu mit der Ukulele, Sams Freundin seit eh schon immer. Und seit eh schon immer sind die beiden heimlich ineinander verliebt.
Oder etwa nicht?
Kriegen sie sich?
Phoebe Waller-Bridge kennen Serienfreunde spätestens seit „Fleabag“über eine Antiheldin Ende 20. Ganz so exzentrisch und Grenzen überschreitend ist „Crashing“nicht geworden: Offenbar war Channel 4 da weniger experimentierfreudig als Amazon. Aber das Ergebnis ist trotzdem ein gutes Beispiel für einen erfreulichen Trend: In den vergangenen Jahren schreiben sich Frauen – darunter viele Comedians – ihre Rollen selbst auf den Leib, was uns unter anderem Highlights wie „One Mississippi“von Tig Notaro (so zurückhaltend wie herzzerreißend, Amazon) und „Enlightened“von Laura Dern und Mike White (zu Unrecht fast vergessen) beschert hat – und natürlich das erfolgreichste und hinreißendste Beispiel: „Girls“von und mit Lena Dunham (Sky).
Und eben jetzt „Crashing“, das der Streaming-Dienst Netflix seit Anfang Juni in Deutschland und Österreich anbietet (auch mit englischen oder deutschen Untertiteln übrigens). Phoebe Waller-Bridge erzählt darin einerseits von der Dynamik dieser Wohngemeinschaft, von ungeschriebenen Gesetzen, ungerechter Arbeitsteilung, von der Schwierigkeit eben, mit Menschen zusammenzuleben, die man sich nicht ausgesucht hat. Und davon, wie man einander gegen alle Widernisse hinweg doch kennenund mögen lernt.
Vor diesem Hintergrund entspinnt sich eine klassische „Ob-sie-sich-am-Ende-kriegen?“-Story, die uns allerdings im Gegensatz zu anderen Geschichten dieser Art in ein Dilemma stürzt: Sollen wir uns das überhaupt wünschen? Immerhin ist uns Lulus „Gegenspielerin“, die so bemühte Kate (Louise Ford) spätestens seit ihrem verunglückten Striptease auch ans Herz gewachsen.