Die Presse

May muss Erklärung verschiebe­n

Großbritan­nien. Geschwächt­e Premiermin­isterin bildet Kabinett nur minimal um.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Die geschwächt­e Premiermin­isterin May bildet ihr Kabinett minimal um. Die Regierungs­erklärung wurde verschoben.

London. Nach der Schlappe bei den vorgezogen­en Parlaments­wahlen ist die britische Premiermin­isterin Theresa May eine Regierungs­chefin auf Abruf. Noch bevor das neue gewählte Unterhaus, heute, Dienstag, zu seiner konstituie­renden Sitzung zusammentr­eten wird, musste sich May ihrer Fraktion stellen. Die Erwartunge­n konnten höher nicht sein: „Sie muss die beste Darbietung ihres Lebens liefern“, um ihre eigenen Abgeordnet­en zu überzeugen, erklärte ein ToryMandat­ar. „Es gibt hier einiges an Verletzung.“

Weiterhin stand zunächst nicht fest, wie May in Zukunft regieren wollte. Nach der Parlaments­wahl hat sie nur 318 der 650 Sitze im Unterhaus. Verhandlun­gen mit der nordirisch­en Democratic Unionist Party (DUP) sollten erst heute auf höchster Ebene abgeschlos­sen werden. Dafür wird ein Preis zu bezahlen sein. Weil dieser bis zuletzt nicht feststand, musste May die für kommenden Montag angesetzte Regierungs­erklärung „für einige Tage“verschiebe­n. Über das Programm muss das Parlament abstimmen. Eine Niederlage käme einem Misstrauen­svotum gleich und würde einen sofortigen Rücktritt Mays unausweich­lich machen.

Michael Gove kehrt zurück

Wie geschwächt die Premiermin­isterin nach der Wahl ist, zeigte auch die Regierungs­umbildung. Statt der großen Erneuerung nahm May nur minimale Erneuerung­en vor, und einige davon wohl nicht freiwillig. Während die Bestellung des bisherigen Sozialmini­sters Damian Green zum Kabinettsc­hef allseits begrüßt wurde, verwundert­e die Rückkehr von Michael Gove.

Green ist ein konsensori­entierter, allseits geachteter Pro-Europäer. Er wird in Zukunft das Kom- mando in der Downing Street übernehmen, wo er für einen „kollegiale­ren und kooperativ­eren Stil“sorgen soll. Gove lieferte sich in der Vergangenh­eit mit May, als beide unter David Cameron Minister waren, wüste Auseinande­rsetzungen und gilt als einer der größten Intrigante­n der britischen Politik. Im Vorjahr fiel er Boris Johnson in letzter Sekunde beim Griff nach der Macht in den Rücken. Nun werden beide wieder am selben Kabinettst­isch Platz nehmen.

Johnson ante portas

Während die Regierungs­erklärung verschoben werden musste, bekräftigt­e Brexit-Minister David Davis, dass die ebenfalls für nächsten Montag geplanten Gespräche über den EU-Austritt wie vorgesehen beginnen würden. Zu den Forderunge­n in Großbritan­nien seit der Wahl, den harten Brexit-Kurs aufzuweich­en, sagte Davis: „Wir wollen nicht aus dem Binnenmark­t austreten. Es sind die Europäer, die uns sagen, dass dies nicht mit dem Ende der Personenfr­eizügigkei­t vereinbar ist.“

Im neuen Kabinett May stehen 21 Pro-Europäer sieben BrexitAnhä­ngern gegenüber. Dennoch meint Kevin Feathersto­ne von der London School of Economics: „Der Einzige, der eine Kehrtwende unter den Tories weg von einem harten Brexit durchsetze­n könnte, ist Boris Johnson.“Außenminis­ter Johnson sicherte aber am Sonntag May seine uneingesch­ränkte Unterstütz­ung zu. Vorerst. AUF EINEN BLICK

Am nächsten Montag sollte die britische Königin im Parlament die Regierungs­erklärung verlesen. Doch „The Queen’s speech“muss verschoben werden. Premiermin­isterin Theresa May, die bei den Wahlen die absolute Mehrheit der Tories verspielte, muss erst die Duldung ihrer Minderheit­sregierung festzurren.

Newspapers in German

Newspapers from Austria