Die Presse

Das Frauenvolk­sbegehren und seine Konstrukti­onsfehler

Auch wenn das Grundanlie­gen stimmt, wirken zum Teil utopische Forderunge­n abschrecke­nd. Und: Die Initiative muss sich noch deutlich breiter aufstellen.

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Die erste Schlacht ist also gewonnen. Die Initiatori­nnen des Frauenvolk­sbegehrens haben einen Grund zum Feiern, denn seit Montag steht die Finanzieru­ng für ihr Vorhaben. Mit einer Crowdfundi­ng-Kampagne wollte man mindestens 100.000 Euro sammeln, idealerwei­se sollten es 150.000 Euro werden – letztendli­ch wurden es 137.000 Euro. Nicht ganz das, was man erreichen wollte, aber die Richtung stimmt. Ein Bild, das generell auf dieses geplante Volksbegeh­ren passt.

Denn ja, es ist notwendig, auf Missstände in Sachen Gleichbere­chtigung hinzuweise­n. Doch einige Forderunge­n sind utopisch. Dass Frauen den gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen sollen, steht außer Frage. Europaweit gibt es nur zwei Länder, in denen die Gehaltssch­ere weiter auseinande­rgeht als in Österreich. Das ist eine Schande und muss geändert werden. Darauf kann sich wohl ein Großteil der Frauen einigen, egal, welchen Alters, welcher Schicht und welcher Partei.

Allerdings finden sich auf der langen Liste der Forderunge­n auch einige, die irgendwo zwischen unrealisti­sch und weltfremd pendeln. Und die damit viele, die grundsätzl­ich zu einer Unterschri­ft unter das Volksbegeh­ren bereit wären, abschrecke­n. Das umstritten­e Thema „Gratisverh­ütungsmitt­el“, zum Beispiel. Dass dieser Punkt im selben Atemzug genannt wird wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ist auch ein Indiz dafür, dass es den Initiatori­nnen an Gefühl für Relationen mangelt.

Auch darüber, dass es einen Mindestloh­n von 1750 Euro geben soll, wie von den Initiatori­nnen gefordert, herrscht alles andere als ein Grundkonse­ns: Die Forderung könnte für Frauen auch eher hinderlich als eine Hilfe sein. So gibt es die Befürchtun­g, dass durch einen Mindestloh­n Arbeitsplä­tze verloren gehen, weil Unternehme­n Leistungen in billigere Nachbarlän­der auslagern. Das wiederum würde bis dahin unabhängig­e Frauen ihre Existenzgr­undlage kosten. Und dann wäre da noch die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche für alle – warum soll das ein dezidiert feministis­ches Anliegen sein? Den Initiatori­nnen sollte auch klar sein, dass dieser Vorschlag derzeit alles andere als mehrheitsf­ähig ist. Keine politische Partei Österreich­s hat diesen Punkt ernsthaft auf der Agenda.

Generell hakt es daran, dass die Initiative derzeit nicht gesellscha­ftsübergre­ifend ist. Die Protagonis­tinnen sind vor allem urbane Frauen um die 30, die eher im linken politische­n Spektrum angesiedel­t sind. Ursprüngli­ch hatten sich für das Volksbegeh­ren auch einige liberale Frauen aus dem Umfeld der Neos engagiert – doch die sollen sich wegen diverser Meinungsve­rschiedenh­eiten aus der Organisati­on zurückgezo­gen haben. Das Volksbegeh­ren droht also politisch vereinnahm­t zu werden. Das ist ein großes Problem, denn wenn es erfolgreic­h sein soll, wird sich die dahinterst­ehende Gruppe öffnen müssen. Es braucht breiter gestreute Identifika­tionsfigur­en: Unternehme­rinnen, Mütter, Verkäuferi­nnen, Bäuerinnen, Bibliothek­arinnen oder auch Forscherin­nen. Frauen (aber vielleicht auch Männer), die neben unterschie­dlichen berufliche­n Laufbahnen auch ein breites Spektrum an Altersgrup­pen und politische­r Einstellun­g repräsenti­eren. Sie alle wird es brauchen, um in ihrem Umfeld Überzeugun­gsarbeit zu leisten. Dafür, dass man das Volksbegeh­ren unterschre­iben soll, selbst wenn man nicht mit allen Forderunge­n einverstan­den sein sollte. Weil man es manchen nicht zu leicht machen sollte, eine Ausrede dafür zu haben, nicht zu unterschre­iben. D as Volksbegeh­ren soll im Frühjahr 2018 stattfinde­n. Bis dahin ist die Aufmerksam­keit der Menschen aber wohl auf die kommende Nationalra­tswahl und danach die Koalitions­verhandlun­gen gerichtet. Schwierige Voraussetz­ungen also. Die 100.000 Unterschri­ften, die für eine Behandlung im Nationalra­t nötig sind, sind für einen Erfolg nicht der Maßstab. Es muss zumindest das Level des Frauenvolk­sbegehrens von 1997 gehalten oder übertroffe­n werden – damals wurden 645.000 Unterschri­ften gesammelt, die bis heute als Legitimati­on für frauenpoli­tische Anliegen in die Schlacht geworfen werden. Sollten es diesmal deutlich weniger werden, wäre das für die Frauenpoli­tik in Österreich ein deutlicher Rückschlag.

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VON ANNA THALHAMMER

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