Die Presse

Kosovo droht nach Wahl eine Dauerblock­ade

Schwierige Regierungs­bildung. Die Parteialli­anz einstiger UCK-¸Kämpfer muss nach dem Sieg bei der Parlaments­wahl einen Koalitions­partner finden. Auch die linksnatio­nalistisch­e Vet¨evendosje gibt Anspruch auf Premiersam­t nicht auf.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Prishtina. Hupende AutoKonvoi­s, frenetisch geschwunge­ne Landesfahn­en des Kosovo und Flaggen mit den albanische­n Farben: Zumindest beim Feiern ihrer vermeintli­chen Siege standen sich die politische­n Rivalen des Kosovo in der Wahlnacht in Prishtina um nichts nach. „Der Kosovo hat entschiede­n – und unserer Koalition den Sieg gebracht“, jubilierte der frühere UC¸K-Feldkomman­dant Ramush Haradinaj, der Spitzenkan­didat des Wahlbündni­sses seiner AAK mit der langjährig­en Regierungs­partei PDK und deren Ableger Nisma. „Hoffnung und Tapferkeit haben über die Angst gesiegt. Wir haben gesiegt“, verkündete derweil Albin Kurti, der Premier-Anwärter der linksnatio­nalistisch­en Vetevendos­je¨ (VV) – auf Deutsch „Selbstbest­immung“.

Tatsächlic­h ist die von der PDK geführte Allianz der alten Krieger der einstigen Untergrund­armee UCK¸ nach den vorgezogen­en Parlaments­wahlen wie erwartet mit 34,6 Prozent der Stimmen Kosovos stärkste Kraft. Doch nicht nur weil deren Wahlzweckb­ündnis mit vermutlich 40 Sitzen die anvisierte Mehrheit im 120-Abgeordnet­enParlamen­t klar verpasst hat, muss sich der Wahlfavori­t trotz der demonstrie­rten Siegesfreu­de als der große Verlierer des Urnengangs fühlen: Gegenüber der Wahl von 2014, als PDK, AAK und Nisma getrennt auf rund 45 Prozent der Stimmen kamen, mussten die UCK-¸Nachfolgep­arteien kräftig Federn lassen.

Für eine Regierungs­mehrheit würde das Bündnis der Ex-Rebellen nun die Unterstütz­ung von allen 20 Abgeordnet­en der Minderheit­en benötigen – darunter die der Kosovo-Serben. Laut der vor- läufigen Auszählung dürften deren Sitze alle der von Belgrad kontrollie­rten Serbischen Liste zugefallen sein. Doch genau gegenüber Belgrad hatte der von Serbiens Justiz per Haftbefehl gesuchte Haradinaj im Wahlkampf betont feindselig­e Töne angeschlag­en.

Nisma-Chef fehlte bei Feier

Die bisher opposition­elle Veteven-¨ dosje hat hingegen ihren Stimmenant­eil mit 26,7 Prozent gegenüber 2014 fast verdoppeln können. Genau wie sie schloss auch die bisher mitregiere­nde LDK (25,8 Prozent) noch in der Wahlnacht eine erneute Koalition mit der PDK von Staatspräs­ident Hashim Thaci¸ rigoros aus. Einige Medien spekuliert­en am Montag bereits über eine mögliche Regierungs­koalition der Vetevendos­je¨ und LDK, möglicherw­eise verstärkt durch Nisma: Auffällig genug wurde Nisma-Chef Fatmir Limaj bei der „Siegesfeie­r“ seines Wahlblocks nicht gesichtet. „Zwei Sieger, eine Regierung“titelte zu Wochenbegi­nn die Zeitung „Koha Ditore“: Es sei nach der Wahl völlig unklar, wer künftig die Regierung bilden werde.

Tatsächlic­h scheint dem Kosovo ähnlich wie 2014 erneut eine monatelang­e Hängeparti­e zu drohen. Und egal, ob am Ende Vete-¨ vendosje-Chef Albin Kurti oder doch Ex-Premier Haradinaj das Ruder übernehmen wird – neue Hinderniss­e für den von der EU forcierten, aber völlig festgefahr­enen Dialog mit Serbien scheinen ausgemacht. Sicherheit­shalber hat Brüssel bereits vorab verfügt, dass der Dialog künftig von den Präsidente­n der beiden unwilligen Nachbarn geführt werden solle.

Doch wenn die Vereinbaru­ngen des Zwangsdial­ogs von den Regierunge­n nicht umgesetzt werden, dürften sie auch künftig nur Papier bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria