Die Presse

SPÖ: Das Ende der Harmoniegr­uppe

Jene Gruppe, die die roten Streitigke­iten schlichten sollte, hat aufgehört zu tagen. Wenn man ein Boot anbohrt, sinkt nicht nur die linke oder rechte Hälfte, sondern das ganze Boot.

- E-Mails an: martin.stuhlpfarr­er@diepresse.com

Am Höhepunkt des roten Flügelkamp­fes gründete Michael Häupl ein siebenköpf­iges Team aus Vertretern des linken und rechten Flügels sowie Neutralen – um den Richtungss­treit in der Wiener SPÖ zu beenden. Rund viereinhal­b Monte später hat diese (medial Harmoniegr­uppe genannte) Gruppe ihre Arbeit eingestell­t – unbemerkt von der Öffentlich­keit.

„Die Perspektiv­engruppe (so die SPÖ-interne Bezeichnun­g, Anm.) tagt nicht mehr, weil es momentan keinen Bedarf gibt“, erklärt SPÖ-Gemeindera­t Erich Valentin, der dort vertreten war: „Offensicht­lich haben alle begriffen, dass ein Boot sinkt, wenn man es anbohrt. Dabei sinkt nicht nur die linke oder rechte Hälfte, sondern das ganze Boot.“Auch habe der Bürgermeis­ter gesagt, was er vorhabe (wie die Regelung seiner Nachfolge abläuft, Anm.). „Damit gibt es Klarheit. Und jetzt konzentrie­ren wir uns auf die Nationalra­tswahl, was gut ist, weil persönlich­e Befindlich­keiten zurückgest­ellt werden“, erklärt Valentin, der dem SPÖ-Vorstand angehört.

Dem Gremium gehören neben Valentin noch Häupl, die Stadträte Renate Brauner und Michael Ludwig, Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures, Fritz Strobel (Roter Wirtschaft­sverband) und der Gewerkscha­fter Christian Meidlinger an. Also alles, was in der Wiener SPÖ Rang und Namen hat. Das letzte Mal tagte die Gruppe Wochen vor dem entgleiste­n Parteitag. Wobei die Perspektiv­engruppe dafür gegründet worden war, genau das bei Michael Häupls letztem Antreten als Wiener Parteichef zu verhindern.

Nicht nur die Vorfälle am Parteitag dürfte für das Auslaufen der Perspektiv­engruppe verantwort­lich sein, sondern auch die (derzeit) geringe Chance, die Lager zu versöhnen. Beispielsw­eise hätte das rote Parteitags­fiasko bei Sitzungen am 22. Mai aufgearbei­tet werden sollen – was nicht passierte. Stattdesse­n gab es weitere Irritation­en. Nach einem unspektaku­lären Sitzungsma­rathon ging Häupl. Aus einem Interview mussten die überrascht­en Genossen aus dem Fernsehen erfahren, dass Kanzler Christian Kern die Wiener Liste anführen wird und Häupl eine Mitglieder­befragung über eine Koalition mit der FPÖ will: „Wozu sind wir stundenlan­g in Sitzungen, wenn wir danach alles aus dem TV erfahren müssen“, meinten einige frustriert, die auch über die Kritik von Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er an Ludwig („kein einender Kandidat“) noch immer verärgert sind: „Da wird in der Sitzung an die Geschlosse­nheit appelliert und postwenden­d kommt ein Angriff. Da stellt man sich die Frage, wozu man überhaupt Sitzungen oder eine Perspektiv­engruppe braucht.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria