So schnell kommt man auf die Überholspur
Die Finnen erleben ein reformgetriebenes Wirtschaftswunder.
Finnlands Wirtschaft wird heuer vergleichsweise explosiv wachsen. Die BIP-Prognosen wurden schon mehrfach nach oben korrigiert. Derzeit stehen wir bei einem für heuer erwarteten Wachstum von 2,8 Prozent. Es gibt aber auch schon Prognostiker, die einen Dreier vor dem Komma sehen. Im ersten Quartal war man noch von lediglich 1,5 Prozent ausgegangen.
Finnland? Doch nicht etwa jenes Finnland, das seit 2008 in einer schweren Wirtschaftskrise steckt, dessen Exporte in den vergangenen Jahren wegen erodierender Konkurrenzfähigkeit stark geschwächelt haben, dessen Arbeitslosenrate raketenhaft abhob, das zuletzt zu den absoluten Wachstumsschlusslichtern in der EU gehörte? Was ist da passiert?
Ein Blick zurück ins vorige Jahr liefert die Antwort: Da hat Regierungschef Juha Sipilä, ein früherer IT-Unternehmer, recht umfassende Reformen durchgesetzt. Unter anderem auf dem Arbeitsmarkt, dessen Inflexibilität als wesentliche Konjunkturbremse galt. Die Reform wimmelte nur so von Dingen, die hierzulande als „Grauslichkeiten“firmieren: Drei Feiertage abgeschafft, weniger Urlaubsgeld, landesweite Nulllohnrunde etc. Die Gewerkschaften trugen das Paket angesichts der Schwere der Wirtschaftskrise übrigens mit. U nd siehe da: Die Senkung der Lohnstückkosten brachte die finnische Wirtschaft auf die Weltmärkte zurück, die lang schwächelnden Exporte explodieren geradezu, die Arbeitslosigkeit sinkt rasant.
Man sieht daran erstens: Reformen sind möglich, wenn der aus der Krise erwachsende Leidensdruck groß genug ist. Und, wichtiger, zweitens: Reformen wirken, wenn sie an der richtigen Stelle angesetzt werden, sehr schnell. Im Fall Finnlands betrug die Zeitspanne vom Pannenstreifen auf die Überholspur gerade einmal ein Dreivierteljahr. Dass politische Veränderungen am rechten Rand der Regierungskoalition diesen Erfolg jetzt wieder bedrohen, ist eine andere Geschichte, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Gültigkeit der obigen These.
Eigentlich ziemlich fahrlässig, dass bei uns der bevorzugte Ablageort für Reformideen noch immer die lange Bank ist.