Die Presse

Domingo fesselt auch als Bariton Als Don Carlo hatte der Tenor vor 50 Jahren seinen ersten Auftritt im Haus am Ring. Nun gab er, an der Seite von Ramon´ Vargas, in Verdis Oper als Bariton den Posa.

- VON THERESA SELZER

Fast auf den Tag genau 50 Jahre nach seinem ersten Auftritt als Don Carlo (am 19. Mai 1967) betrat Placido´ Domingo am vergangene­n Sonntag wieder für eine Aufführung der Verdi-Oper die Bühne der Wiener Staatsoper. Diesmal feiert der zum Bariton mutierte Künstler sein Debüt in der Partie des Marquis Posa. Sein jüngerer Kollege Ramon´ Vargas stand ihm in bewährter Manier in der Titelparti­e zur Seite. Zwar bot die 25. Aufführung der Inszenieru­ng von Daniele Abbado erwartungs­gemäß immer noch wenig Spektakulä­res, dennoch konnte sich zwischen den „beiden Tenören“glaubwürdi­g jene tiefe Freundscha­ft entwickeln, die sie sogar bis in den Tod verbindet.

Das erste Duett im Kreuzgang von San Yuste klang allerdings noch etwas hölzern. Fehlte es den beiden sonst so agilen und kräftigen Stimmen etwa an Resonanzra­um? Oder hatte Myung-Whun Chung am Dirigierpu­lt des Orchesters gar zu früh volle Fahrt aufgenomme­n?

Höhepunkt des Abends: Treueschwu­r

Wie auch immer, spätestens bis zum Ende des zweiten Aktes und dem berührende­n „Dio, che nell’alma infondere“hatte man sich so weit arrangiert, dass die Reprise des gegenseiti­gen freundscha­ftlichen Treueschwu­rs zum Höhepunkt des Abends wurde. Der Rolle entspreche­nd wich Domingos Posa verletzt zurück, als er einen Vertrauens­bruch durch den Freund witterte, öffnete diesem dann aber in einer großen Geste verzeihend die Arme. Auch gesanglich fand man zueinander: Vargas’ Infant klang insgesamt melancholi­sch, jedoch durchwegs jugendlich. Domingos Bariton stand ihm an Präzision in nichts nach und fesselte das Publikum mit scheinbar müheloser Agilität.

Kühler, wenn man so will: erwachsene­r modelliert­e Krassimira Stoyanova die Elisabetta, die angesichts der Lockungen ihres Geliebten ihre königliche Würde zu wahren wusste und nur subtile Zeichen der Zuneigung setzte. Das offene Liebesgest­ändnis ihres nunmehrige­n Stiefsohns strafte sie geradezu durch offen zur Schau getragene Distanz, würdigte es mit keinem einzigen tiefen Blick. Umso bewegender dann die meisterlic­h gesungene, anspruchsv­olle Schlussari­e – im Monolog offenbart sich die große Seele in freier melodische­r Entfaltung, während es ihr zuvor im Zorn über die Machenscha­ften der Prinzessin Eboli beinahe die Kehle zuzuschnür­en schien.

Elena Zhidkova verkörpert­e die Gegenspiel­erin der Königin lasziv und höchst emotional. Dass ihr im Schleierli­ed der Übergang von der Kopf- zur Bruststimm­e Probleme bereitete, wusste sie mit verführeri­schen Bewegungen theatralis­ch geschickt zu kaschieren. Triumphier­end dominierte ihr kräftiger Mezzosopra­n hingegen das Terzett mit Carlos und Posa. Da kontrollie­rte sie noch in der höchsten Erregung ihre Tongebung exakt.

Übertroffe­n wurde sie in Sachen perfekter Beherrschu­ng vokaler Leidenscha­ften lediglich vom kernigen und intensiven Timbre Ferruccio Furlanetto­s, das ideal mit dem zarten, wunderschö­n phrasierte­n Cellosolo zu „Ella giammai m’am`o“harmoniert­e. So recht wollte man im Anschluss daran die Unterwerfu­ng dieses Königs Philipp durch den Großinquis­itor nicht glauben – trotz der imposanten Aufmachung von Alexandru Moisiuc als nordische Gottheit, inklusive langer blonder Perücke.

Zwar galt ein Großteil des schier nicht enden wollenden, tosenden Applauses nach dem Finale dem Jubilar Domingo. Verdient haben ihn jedoch auch die übrigen Solisten dieser überragend­en Besetzung und nicht zuletzt das Orchester, das unter Chungs souveräner Leitung bald zur Höchstform auflaufen konnte.

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[ Staatsoper/Michael Pöhn] Lasziv und höchst emotional: Elena Zhidkova als Eboli mit Placido´ Domingo als Posa.

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