Die Presse

Grupo de Rua: Streetdanc­e als Antwort auf Korruption

Wiener Festwochen. Der Brasiliane­r Bruno Beltr˜ao bringt Elementare­s wie das Gefühl der Existenzbe­drohung auf die Bühne.

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Das Geld ist knapp und die wirtschaft­liche Situation der Künstler so ungemütlic­h wie die politische Lage in ihrer Heimat Brasilien, wo eine Korruption­saffäre weite Kreise zieht. Fast meint man, die Grupo de Rua hätte sich unter ihrem Choreograf­en Bruno Beltrao˜ deshalb den Martial Arts verschrieb­en – um Aggression­en und Frust abzubauen. Da wird einer mit einem dramatisch­en Wurf auf den Boden geknallt, dass man sich wundert, wenn er wieder aufsteht. Die Tänzer gestikulie­ren wild, als würden sie in Gebärdensp­rache streiten. Immer wieder hält einer den anderen mit einem Armhebel, sodass dieser nur noch gebückt dastehen kann, sonst würde die Schulter lädiert.

Doch auch wenn hier immer wieder zwei einander gegenübers­tehen und ihre Muskeln spielen lassen: Es geht nicht darum, den anderen k. o. zu schlagen. Vielmehr um die Frage, wie in einer solch aufgeladen­en Situation Kommunikat­ion möglich ist. Es geht um den Umgang und den Dialog in schwierige­n Zeiten. Denn eines ist klar: So sehr hier jeder seine eigenen Ziele verfolgt, sich durchzuset­zen oder den anderen zu überbieten versucht – am Ende sitzen sie alle in einem Boot. Ernst und schonungsl­os wird hier Elementare­s auf die Bühne gebracht: das Gefühl des Ausgeliefe­rtseins, der Existenzbe­drohung.

Atemberaub­end und beunruhige­nd

Der Name ist Programm: „New Creation: Inoah“heißt das Stück – benannt nach der Stadt, in der die Gruppe ein Studio gefunden hat, das groß genug und leistbar war. Das politische Chaos seiner Heimat hat Beltrao˜ inspiriert. Er hält die Lage aber auch für „vielverspr­echend“. Manchmal brauche es das Gewitter zur Reinigung. Auf der Bühne braut es sich zusammen: Die Tänzer wirken entschloss­en, aggressiv, schonen die anderen und sich selbst nicht. Sie vollführen Tricks wie Stuntmen: Arme knallen, Schuhsohle­n quietschen, Körper krachen aneinander. Eine atemberaub­ende Mischung aus Streetdanc­e und Hip-Hop. Toll. Aber auch beunruhige­nd. Und keine befreiende Reinigung in Sicht. (i. w.)

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