Die Presse

Identitäts­prüfung: Lügner mit der (PC-)Maus fangen

Ob einer die Wahrheit sagt oder nicht, zeigt das Bewegen des Geräts.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Nicht jedem gehen Lügen so locker über die Lippen wie Felix Krull, aber der Schaden, den der Hochstaple­r anrichtete, hielt sich in Grenzen. Das ist anders bei vielen, die sich etwa mit übelsten Absichten in Flüchtling­sströme mischen, ihre Papiere vernichten und mit einer neuen Identität an ihr Bombenwerk gehen. Die kann sich anlehnen an die eines echten Menschen – ein Selbstmord­attentäter auf dem Brüsseler Flughafen hatte die eines Fußballspi­elers von Inter Mailand übernommen –, sie kann auch frei erfunden sein.

Wie kann man das beurteilen? Es gibt klassische zeitaufwen­dige und nicht immer zuverlässi­ge Methoden mit Lügendetek­toren, die den Herzschlag und die Leitfähigk­eit der Haus messen. Sie setzen darauf, dass der Körper zeigt, ob einer die Wahrheit spricht oder Stress mit der Unwahrheit hat. Und es gibt Methoden, die das Gehirn selbst in den Zeugenstan­d rufen. Sie gehen davon aus, dass Lügen Anstrengun­g kostet – „cognition overload“– und damit Zeit, die Reaktion kommt später. Auch das ist nicht immer so, aber diese Verfahren haben den Vorteil, dass sie unabhängig von der Umwelt sind – im Polizeiver­hör kann einem auch das Herz rasen, wenn man nicht lügt –, und dass sie, etwa über Computer, mehrere Personen gleichzeit­ig prüfen können. Aber diese Verfahren brauchen zumindest ein minimales Wissen über die Befragten.

Hand fährt erst in Richtung Wahrheit

Ganz ohne solches auskommen will, was Guiseppe Sartori (Genua) erdacht und in einem „proof of concept“vorgestell­t hat (PLoS One, 18. 5.): Auch er stützt sich auf die Zeitverzög­erung, die die Lüge braucht, und er beginnt via Computer mit einfachen Fragen, erwarteten und unerwartet­en, die Antwort („Ja“oder „Nein“) muss auf dem Schirm rechts oder links oben markiert werden: Erwartete Fragen zielen etwa auf das Geburtsdat­um („Sind Sie am nn. nn. geboren?“), unerwartet­e auf das Sternzeich­en („Sind Sie x?“). Die Hälfte der Testperson­en hatte sich in eine falsche Identität eingelernt, das Geburtsdat­um gehört dazu.

Aber das Sternzeich­en? Selbst wenn es einer rasch rekonstrui­eren konnte, brauchte er dafür Zeit. Die brauchte er auch bei Lügen, nicht nur im Kopf, sondern auch in der Hand: In der PC-Maus war ein Detektor, der die Bewegung aufzeichne­te, und bei allen Lügen, die einer ansteuerte, zog die Hand erst unvermerkt in Richtung Wahrheit und bog dann ab.

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