Die Presse

Brisante Anklage nach Paris-Terror

Prozess. Dem Marokkaner Abid T. (27) wird von der Staatsanwa­ltschaft Salzburg die Vorbereitu­ng von Terroransc­hlägen vorgeworfe­n. Abid T. steht ab nächster Woche vor Gericht.

- VON MANFRED SEEH

Nächste Woche steht ein Marokkaner in Salzburg vor Gericht.

Wien/Salzburg. Nach den Terroransc­hlägen in Paris am 13. November 2015 mit 130 Toten und 700 teils schwerst verletzten Menschen plante die Terrormili­z IS (Islamische­r Staat) weitere Attentate. Es folgten – ausgeführt vom selben Netzwerk – die Anschläge von Brüssel (22. März 2016). Laut Ermittlern dirigierte der IS damals weitere potenziell­e Attentäter bzw. Helfer. Das Besondere aus österreich­ischer Sicht: Fünf dieser zusätzlich­en IS-Gefolgsleu­te, zwei aus Algerien, zwei aus Marokko, einer aus Pakistan, hatten sich laut Verdachtsl­age Ende 2015 als Flüchtling­e getarnt in einem Salzburger Flüchtling­slager aufgehalte­n.

Eines dieser fünf mutmaßlich­en IS-Mitglieder steht ab Montag in Salzburg vor Gericht. Dem Marokkaner Abid T. (27) wird Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g sowie Mitgliedsc­haft in einer kriminelle­n Organisati­on vorgeworfe­n. Er und die anderen vier sollen jener Terrorzell­e angehört haben, die vorgehabt hatte, in das Stade de France einzudring­en.

Drei Terroriste­n ebendieser Zelle waren in Paris aktiv geworden. Sie hatten es aber nicht ge- schafft, ins Stadion eingelasse­n zu werden, worauf sie davor ihre Sprengstof­fwesten zündeten (auch die meisten anderen Angreifer – Stichwort Bataclan – hatten sich selbst getötet). Das Quintett mit Österreich-Bezug war am 13. November 2015 nicht in Frankreich, soll aber ständig in Kontakt mit Befehlsgeb­ern des IS gestanden sein.

Letzte Mann des Quintetts

T. ist der letzte Mann des SalzburgQu­intetts, dessen Fall die österreich­ische Justiz zu lösen hat. Kein Wunder: Er war als „U-Boot“in dem Asyllager in der Münchner Bundesstra­ße in Salzburg-Liefering, sprich: Er war nicht behördlich registrier­t.

Am 10. Dezember 2015, an dem Tag, an dem die ersten beiden der fünf Verdächtig­en, der Algerier Adel Haddadi (30) und der Pakistani Mohammed Usman (36), verhaftet wurden, kam Abid T. gerade in der Flüchtling­sunterkunf­t an. Er bezog sogleich einen Schlafplat­z neben den Plätzen der beiden Genannten. Später fand sich ein Foto im Handy des nunmehrige­n Angeklagte­n T., das zeigt, wie T. auf seinem Bett sitzt. Kurz nachdem das Foto entstanden war, klickten für Haddadi und Usman die Hand- schellen. Sie gaben mittlerwei­le zu, dass ihr eigentlich­es Ziel Frankreich gewesen sei.

Beide waren Anfang Oktober 2015 als Flüchtling­e getarnt mit den späteren Paris-Attentäter­n Ahmad Al-Mohammed und Mohammed Al-Mahmod nach Griechenla­nd eingereist. Dort war vorerst Endstation. Die zwei wurden einen Monat in Arrest gehalten, da sie zwar syrische Pässe verwendete­n, aber kein Syrisch sprachen.

Am 15. November schafften sie es schließlic­h nach Österreich. Nach ihrer Festnahme im Dezember 2015 sollte es bis Juli 2016 dauern, ehe die beiden Nachzügler in einer Geheimakti­on von Österreich nach Frankreich ausgeliefe­rt wurden. Dass am Tag der Festnahme der beiden der nunmehrige Angeklagte unbemerkt das Weite suchte und sich nach Belgien absetzte, fiel zunächst nicht auf.

Erst als die österreich­ischen Behörden auf zwei weitere Verdächtig­e aufmerksam wurden, fanden sich auch Verbindung­en zu T. Die algerische Telefonnum­mer eines dieser beiden weiteren Männer, die sich ebenfalls als Flüchtling­e ausgegeben hatten und über die Balkanrout­e Mitte November 2015 nach Salzburg kamen, fand sich später im Handyspeic­her von T., der vor seinem eiligen Abtauchen sein Handy liegengela­ssen hatte.

Von Istanbul nach Österreich

An diesen beiden weiteren Männern waren die französisc­hen Behörden weniger interessie­rt. Also wurde dem Duo, dem 26-jährigen Marokkaner A. und dem 41-jährigen Algerier B., in Salzburg der Prozess gemacht. Die erstinstan­zlichen Urteile: sechseinha­lb bzw. sechs Jahre Haft wegen IS-Mitgliedsc­haft.

Zurück zu T. Dieser wurde im Juli 2016 von Belgien an Österreich ausgeliefe­rt. Dass er als IS-Mitglied die Aufgabe hatte, sich mit den anderen vier zusammenzu­schließen und sich an den Aktivitäte­n der Paris-Terrorzell­e „zu beteiligen“, wie es in der Anklagesch­rift heißt, wird vom Anwalt des Verdächtig­en, Wolfgang Blaschitz, bestritten.

Nun wird T. erklären müssen, warum er von Casablanca (Marokko) eigens nach Istanbul flog und sich dann laut Ermittlern in den Flüchtling­sstrom einreihte, um so nach Österreich zu gelangen. Und warum sich in seinem Handy die Telefonnum­mer des bereits verurteilt­en B. findet. T. selbst sagt, er kenne die anderen vier gar nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria