Betriebsrat als Aktionär
Arbeitnehmerbeteiligung. Die geplante Begünstigung von Mitarbeiterstiftungen ist eine feine Sache. Sie kann aber nur ein Schritt auf dem Weg zu einer zivilisierten Kapitalmarktkultur sein.
Der geplanten Begünstigung von Mitarbeiterstiftungen sollten weitere Schritte folgen.
Da soll noch einer sagen, die Koalition bringe nichts zustande: Anfang der Woche hat der Finanzausschuss des Parlaments einen Gesetzesentwurf über die Neustrukturierung von betrieblichen Privatstiftungen durchgewinkt. Der soll Mitarbeiterstiftungen begünstigen, indem er es Unternehmen künftig ermöglicht, ihren Mitarbeitern 4500 statt bisher 3000 Euro jährlich in Form von eigenen Aktien steuerfrei auszuzahlen. Vorausgesetzt, diese Aktien werden dann in einer Mitarbeiterstiftung geparkt. Das wurde von den Koalitionären gleich als kleiner Durchbruch in Sachen Mitarbeiterbeteiligung gefeiert.
Wir wollen hier nicht Partycrasher spielen, aber eine ambitionierte Reform sieht dann doch ein wenig anders aus. Hier hat man wieder einmal den Eindruck, dass eine Eigenschaft, die Grillparzer vor 185 Jahren seinen Landsleuten zugeschrieben hat, bis in die Zweite Republik des 21. Jahrhunderts nachwirkt: „Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben“.
Nicht, dass die Mitarbeiterstiftung etwas Schlechtes wäre: Sie ermöglicht es, vom Unternehmen selbst steuerbare Kernaktionärsgruppen zu bilden und sich damit vor feindlichen Übernahmen zu schützen. Sie ermöglicht es, Arbeitnehmer am Erfolg und am Substanzgewinn des eigenen Unternehmens teilhaben zu lassen, was deren Motivation und Unternehmensbindung erhöht.
Sie ermöglicht vor allem im halb öffentlichen Bereich freilich auch Missbrauch: Die Hypo Alpe Adria und die Flughafen Wien AG haben beispielsweise versucht, mittels Zwischenschaltung einer Mitarbeiterstiftung die Beherrschung des Unternehmens durch die jeweiligen Länder zu verschleiern und damit den Rechnungshof fernzuhalten. Was freilich nur der Hypo gelungen ist (was das Platzen des Skandals verzögert und damit verteuert hat).
Insgesamt ist die Mitarbeiterstiftung aber eine feine Sache. Aber sie ist eines nicht: echte Mitarbeiterbeteiligung. Bisher waren die solcherart mit Unternehmens- anteilen bedachten Mitarbeiter de facto ja nicht einmal am Unternehmen beteiligt, sondern nur Begünstigte einer Stiftung, die diese Anteile hält. Mit der neuen Regelung sind die Unternehmensanteile zwar „sukzessive an die Arbeitnehmer abzugeben“, wie es heißt. Allerdings müssen sie zwingend in einer Mitarbeiterstiftung treuhändig verwaltet werden.
Den so mit Aktien oder GmbHAnteilen Bedachten fehlt also die grundlegende Basis ihres angeblichen neuen Mitunternehmertums: die Verfügungsgewalt über ihre Anteile.
Die liegt nämlich bei den jeweiligen Stiftungsvorständen. Und dort finden sich die üblichen Verdächtigen. Am Beispiel der privatisierten Staatsdruckerei: ein Vor- stand, der Betriebsratschef und der Chef der Angestelltengewerkschaft. Gelebte Sozialpartnerschaft eben und schön für das Unternehmen, aber noch lang keine echte Mitarbeiterbeteiligung. Betriebsratsstiftung wäre wohl die korrektere Bezeichnung.
Wir haben es hier also mit einer Art Zwangsaktiensparen zu tun, das allerdings durchaus für beide Seiten Vorteile bietet. Es ist gut, dass die Rahmenbedingungen dafür etwas verbessert werden.
Aber es kann nur ein erster Schritt sein. Nämlich einer in Richtung zivilisierter Kapitalmarktkultur, die wir hier in diesem Lande so schmerzlich vermissen. Dazu wäre die verbesserte Form der Mitarbeiterstiftung tatsächlich ein guter Hebel: Wer sein Gehalt mit Dividenden ein wenig auffettet und beim Ausscheiden den Substanzgewinn sozusagen als zusätzliche Abfertigung lukrieren kann, der wird möglicherweise herausfinden, dass die Aktie doch nicht das spekulative Teufelszeug ist, als das sie ihm seit Schultagen permanent dargestellt wird. Und Gewerkschafter werden sich dann etwas schwerer tun, zu argumentieren, wieso die von ihnen verwalteten Mitarbeiteraktien eine tolle Sache, an der Börse gehandelte Unternehmensanteile aber üble Spekulation sind. Vielleicht führt das zur Erkenntnis, dass Mitunternehmerschaft nicht nur gut für die Wirtschaft, sondern meist auch gut fürs Konto ist.
Die Voraussetzungen für einen Kurswechsel wären durchaus gegeben: Es gibt in Österreich auch bei den Arbeitnehmern frei verfügbares Kapital, das derzeit so gut wie nicht verzinst ist und bessere Anlage sucht. Es gibt Unternehmen, die einen funktionierenden Kapitalmarkt benötigen würden und es gibt (trotz eines immer kürzeren Kurszettels) Aufbruchstimmung an der Börse selbst.
Was fehlt, ist die politische Unterstützung für den Wandel. Eine bloße Anhebung der Steuerfreigrenze für Betriebsratsstiftungen ist dafür eindeutig noch zu wenig.