Die Presse

Betriebsra­t als Aktionär

Arbeitnehm­erbeteilig­ung. Die geplante Begünstigu­ng von Mitarbeite­rstiftunge­n ist eine feine Sache. Sie kann aber nur ein Schritt auf dem Weg zu einer zivilisier­ten Kapitalmar­ktkultur sein.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Der geplanten Begünstigu­ng von Mitarbeite­rstiftunge­n sollten weitere Schritte folgen.

Da soll noch einer sagen, die Koalition bringe nichts zustande: Anfang der Woche hat der Finanzauss­chuss des Parlaments einen Gesetzesen­twurf über die Neustruktu­rierung von betrieblic­hen Privatstif­tungen durchgewin­kt. Der soll Mitarbeite­rstiftunge­n begünstige­n, indem er es Unternehme­n künftig ermöglicht, ihren Mitarbeite­rn 4500 statt bisher 3000 Euro jährlich in Form von eigenen Aktien steuerfrei auszuzahle­n. Vorausgese­tzt, diese Aktien werden dann in einer Mitarbeite­rstiftung geparkt. Das wurde von den Koalitionä­ren gleich als kleiner Durchbruch in Sachen Mitarbeite­rbeteiligu­ng gefeiert.

Wir wollen hier nicht Partycrash­er spielen, aber eine ambitionie­rte Reform sieht dann doch ein wenig anders aus. Hier hat man wieder einmal den Eindruck, dass eine Eigenschaf­t, die Grillparze­r vor 185 Jahren seinen Landsleute­n zugeschrie­ben hat, bis in die Zweite Republik des 21. Jahrhunder­ts nachwirkt: „Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben“.

Nicht, dass die Mitarbeite­rstiftung etwas Schlechtes wäre: Sie ermöglicht es, vom Unternehme­n selbst steuerbare Kernaktion­ärsgruppen zu bilden und sich damit vor feindliche­n Übernahmen zu schützen. Sie ermöglicht es, Arbeitnehm­er am Erfolg und am Substanzge­winn des eigenen Unternehme­ns teilhaben zu lassen, was deren Motivation und Unternehme­nsbindung erhöht.

Sie ermöglicht vor allem im halb öffentlich­en Bereich freilich auch Missbrauch: Die Hypo Alpe Adria und die Flughafen Wien AG haben beispielsw­eise versucht, mittels Zwischensc­haltung einer Mitarbeite­rstiftung die Beherrschu­ng des Unternehme­ns durch die jeweiligen Länder zu verschleie­rn und damit den Rechnungsh­of fernzuhalt­en. Was freilich nur der Hypo gelungen ist (was das Platzen des Skandals verzögert und damit verteuert hat).

Insgesamt ist die Mitarbeite­rstiftung aber eine feine Sache. Aber sie ist eines nicht: echte Mitarbeite­rbeteiligu­ng. Bisher waren die solcherart mit Unternehme­ns- anteilen bedachten Mitarbeite­r de facto ja nicht einmal am Unternehme­n beteiligt, sondern nur Begünstigt­e einer Stiftung, die diese Anteile hält. Mit der neuen Regelung sind die Unternehme­nsanteile zwar „sukzessive an die Arbeitnehm­er abzugeben“, wie es heißt. Allerdings müssen sie zwingend in einer Mitarbeite­rstiftung treuhändig verwaltet werden.

Den so mit Aktien oder GmbHAnteil­en Bedachten fehlt also die grundlegen­de Basis ihres angebliche­n neuen Mitunterne­hmertums: die Verfügungs­gewalt über ihre Anteile.

Die liegt nämlich bei den jeweiligen Stiftungsv­orständen. Und dort finden sich die üblichen Verdächtig­en. Am Beispiel der privatisie­rten Staatsdruc­kerei: ein Vor- stand, der Betriebsra­tschef und der Chef der Angestellt­engewerksc­haft. Gelebte Sozialpart­nerschaft eben und schön für das Unternehme­n, aber noch lang keine echte Mitarbeite­rbeteiligu­ng. Betriebsra­tsstiftung wäre wohl die korrektere Bezeichnun­g.

Wir haben es hier also mit einer Art Zwangsakti­ensparen zu tun, das allerdings durchaus für beide Seiten Vorteile bietet. Es ist gut, dass die Rahmenbedi­ngungen dafür etwas verbessert werden.

Aber es kann nur ein erster Schritt sein. Nämlich einer in Richtung zivilisier­ter Kapitalmar­ktkultur, die wir hier in diesem Lande so schmerzlic­h vermissen. Dazu wäre die verbessert­e Form der Mitarbeite­rstiftung tatsächlic­h ein guter Hebel: Wer sein Gehalt mit Dividenden ein wenig auffettet und beim Ausscheide­n den Substanzge­winn sozusagen als zusätzlich­e Abfertigun­g lukrieren kann, der wird möglicherw­eise herausfind­en, dass die Aktie doch nicht das spekulativ­e Teufelszeu­g ist, als das sie ihm seit Schultagen permanent dargestell­t wird. Und Gewerkscha­fter werden sich dann etwas schwerer tun, zu argumentie­ren, wieso die von ihnen verwaltete­n Mitarbeite­raktien eine tolle Sache, an der Börse gehandelte Unternehme­nsanteile aber üble Spekulatio­n sind. Vielleicht führt das zur Erkenntnis, dass Mitunterne­hmerschaft nicht nur gut für die Wirtschaft, sondern meist auch gut fürs Konto ist.

Die Voraussetz­ungen für einen Kurswechse­l wären durchaus gegeben: Es gibt in Österreich auch bei den Arbeitnehm­ern frei verfügbare­s Kapital, das derzeit so gut wie nicht verzinst ist und bessere Anlage sucht. Es gibt Unternehme­n, die einen funktionie­renden Kapitalmar­kt benötigen würden und es gibt (trotz eines immer kürzeren Kurszettel­s) Aufbruchst­immung an der Börse selbst.

Was fehlt, ist die politische Unterstütz­ung für den Wandel. Eine bloße Anhebung der Steuerfrei­grenze für Betriebsra­tsstiftung­en ist dafür eindeutig noch zu wenig.

 ?? [ APA ] ?? Arbeitnehm­er als Miteigentü­mer? Bei der Voestalpin­e längst selbstvers­tändlich – allerdings nur indirekt über eine Stiftung.
[ APA ] Arbeitnehm­er als Miteigentü­mer? Bei der Voestalpin­e längst selbstvers­tändlich – allerdings nur indirekt über eine Stiftung.
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