Von Brücke bis Waffe
Geschichte. Wie aus einem himmlischen Kriegsbogen das Zeichen von Frieden und Homosexualität wurde, was Judy Garland damit zu tun hat, und warum man an seinem Fuß Gold suchte: eine Symbolgeschichte zur Regenbogenparade.
Symbolgeschichte des Regenbogens zur Parade.
Wer wird schon einem Regenbogen misstrauen? Aus Wolken können Gewitter werden, die Sonne kann uns verbrennen – ein Regenbogen aber ist vertrauenerweckend wie ein Stern. Kein Wunder, dass er zum weltweit beliebten Symbol wurde – auch der Schwulen- und Lesbenbewegung, die morgen, Samstag, ihre Regenbogenparade am Ring abhalten wird. Den Namen verdankt dieser Aufmarsch dem amerikanischen Künstler Gilbert Baker, der 1978 die Regenbogenfahne kreierte, als „gay pride flag“. Mit den grellen Farben folgte der Künstler einer Tradition, sie waren seit jeher als Zeichen für Homosexualität beliebt; Beispiele sind Oscar Wildes grüne Nelke im Knopfloch, die gelben Socken, aber auch das rosa Dreieck, mit dem die Nazis die Homosexuellen stigmatisierten.
Unabhängig voneinander aber haben schon die verschiedensten Kulturen dem Regenbogen schmeichelhafte Bedeutungen gegeben. Er galt den Mesopotamiern als Liebeskette einer Göttin, den Inkas als Vertreter der Sonne, und die Aborigines verehrten eine Regenbogenschlange als Weltenschöpfer. „Von Perlen baut sich eine Brücke“, dichtete Friedrich Schiller – zur starken Symbolkraft dieses Naturphänomens gehört nicht nur seine schwerelose Schönheit und Vielfarbigkeit oder dass es von der Ankunft der Sonne nach dem Regen zeugt. Seine Form ließ die Menschen seit Urzeiten an eine Straße zwischen Himmel und Erde denken. Für die Germanen verband sie die Welt der Menschen und den Sitz der Götter. Iris, die griechische Göttin der Morgenröte, reiste darauf zwischen Himmel und Erde.
Der abgesenkte Bogen Gottes
Aber im Himmel ging es nicht immer friedlich zu. Und so wurde in der altorientalischen Vorstellungswelt der Regenbogen als göttlicher Kriegsbogen gedeutet. Allerdings als einer, von dem die Menschen nichts oder zumindest nichts mehr zu fürchten haben: ein abgesenkter Bogen Gottes als Zeichen des neu eingekehrten Friedens oder – bei den Babyloniern – als Waffe, mit der der Schöpfergott die Urflut getötet und das Leben erschaffen hat. Auch im Alten Testament wirkt dieses Bild des beendeten Kampfes nach – und verbindet sich mit dem der Brücke, wird zum Friedenssymbol. „Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken“, sagt Gott nach der Sintflut. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch . . .“
Das erklärt auch die Regenbogenfahne, unter welcher der frühe Lutheranhänger und dann -Gegner Thomas Müntzer im 16. Jahrhundert die aufständischen Bauern versammelte. Die soziale Revolution sah sich als Teil einer spirituellen Revolution, die eigentlich eine Wiederherstellung sein wollte, nämlich des Bundes mit Gott. Und noch die 1961 kreierte Regenbogenfahne der italienischen Friedensbewegung, die später zum weltweiten Friedenssymbol wurde, ist von den alten Mythen eingefärbt.
In der christlichen Tradition hat man den altorientalischen Kriegsbogen allerdings gründlich vergessen. Die Regenbogenbilder in Malerei und Bildhauerei wurzeln vielmehr in einer Vision des Propheten Ezechiel. Er sieht die Herrlichkeit Gottes als Thronwagen mit einem hellen Schein darüber, „wie der Anblick des Bogens, der sich an einem Regentag in den Wolken zeigt“. Christus sitzt in Darstellungen des Jüngsten Gerichts oft auf oder in einem Regenbogen, der seine Göttlichkeit symbolisiert. Auch der Heiligenschein ist mit ihm verwandt – ein Himmelsbogen in Miniaturform.
Die Popkultur des 20. Jahrhunderts bedient sich eher aus „heidnischen“Regenbogenlegenden. „No, I won’t be told there’s a crock of gold at the end of the rainbow“, sang die Gruppe ABC 1982. Sie kannte wohl die irische Sage, in der Kobold Leprechaun seinen Goldschatz am Ende des Regenbogens vergräbt. Im Boden gefundene keltische Münzen (auch auf österreichischem Gebiet) erzeugten auch den Volksglauben, der Regenbogen hinterlasse an seinem Berührungspunkt zur Erde Goldstücke – „Regenbogenschüsselchen“. Greenpeace wiederum spielte mit seinem Schiffsnamen Rainbow Warrior und dem davon abgeleiteten Logo auf eine indianische Prophezeiung an: dass nach der Verwüstung der Erde Krieger des Regenbogens – interpretiert als Menschen vieler Farben, Klassen und Glaubensrichtungen – die Welt bevölkern werden.
Pastellfarbene Utopien
Wie nur wenige Naturphänomene hat der Regenbogen zu Wunschfantasien angeregt – oft reichlich pastellfarbenen. Exemplarisch dafür ist Judy Garland 1939 als Dorothy im Zauberer-von-Oz-Film „Das zauberhafte Land“, als sie von einer Gegend „somewhere over the rainbow“sang, in der „Träume wahr werden“. Ihr konfliktreiches Leben, ihr extravaganter Stil und auch ihre Rolle der sich selbst findenden Dorothy machten Garland zum Star der Schwulenszene. Auch ihr Lied hatte Gilbert Baker im Ohr, als er seine Fahne erfand. Doch der Regenbogen gefiel ihm vor allem, weil er ein universales, natürliches Symbol ist.
Das war er schon für Goethe, den Farbenforscher. Zu Beginn des „Faust II“wacht der Held in „anmutiger Gegend“auf, in der Gischt eines Wasserfalls sieht er einen Regenbogen. „Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend, wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend, umher verbreitend duftig kühle Schauer.“Faust ist aber nicht nur unmittelbar angerührt, er sieht darin ein Zeichen: Der Regenbogen „spiegelt ab das menschliche Bestreben, ihm sinne nach und du begreifst genauer: Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.“Nicht nur für die Schönheit der Welt steht der Regenbogen hier, sondern auch für die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten. Wie in Platons „Höhlengleichnis“ist die Welt an sich nicht fassbar, sie ist nur ableitbar aus den sinnlichen Erscheinungen.
Das traurige „nur“fehlt in Fausts Einsicht aber, im Gegenteil, er wendet sich damit dem Leben zu. Vielleicht ist es auch das, was die Wirkung des Regenbogens mehr als alles andere charakterisiert – und den Regenbogengeschichten aller Kulturen gemeinsam ist: die Einladung zur Zuversicht.