Putin: USA mischen sich in russische Wahlen ein
Russland. Bei der alljährlichen TV-Bürgersprechstunde dominierten Soziales und Wirtschaftspolitik. Die Frage nach der Nachfolge wollte der Präsident nicht beantworten.
Moskau/Wien. Der russische Präsident hat in der alljährlichen Sendung „Direkter Draht zu Wladimir Putin“eine zunehmende Russland-Feindlichkeit kritisiert. Dies sei ein Resultat des innenpolitischen Kampfes in den USA. Er hoffe auf eine Verbesserung der gespannten Beziehungen zwischen Russland und den USA. „Wir sehen die USA nicht als Feind“, sagte er am Donnerstag bei der traditionellen Bürgersprechstunde. Ohne eine konstruktive Zusammenarbeit mit Washington sei etwa im Syrien-Konflikt keine Lösung zu finden. Russland und die USA könnten auch im Bereich der Rüstungskontrolle kooperieren, sagte Putin. Russland sei bereit zu einem konstruktiven Dialog, dies hänge aber nicht nur an der Regierung in Moskau.
Gleichzeitig kritisierte er die Aussagen von Ex-FBI-Chef James Comey, dem er wohl nicht ganz ernst Asyl in Russland anbot. Er habe keine Beweise für die angebliche Intervention Moskaus bei den US-Wahlen gegeben. Umgekehrt behauptete er, dass die USA seit Jahren versuchten, die Wahlen in Russland zu beeinflussen.
US-Senat erlässt weitere Sanktionen
Washington und Moskau sehen das bilaterale Verhältnis auf einem Tiefpunkt. Neben den Konflikten in der Ukraine und in Syrien belasten vor allem Vorwürfe der russischen Einmischung in den US-Wahlkampf die Stimmung. Mit Spannung wird ein mögliches Treffen Putins mit US-Präsident Donald Trump beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg erwartet.
Entspannung zeichnet sich nicht ab. Der US-Senat stimmte am Mittwoch mit großer Mehrheit für neue Sanktionen gegen Russland. Russland soll so nach US-Darstellung für eine Einmischung in die amerikanische Präsidentenwahl, die Annexion der Halbinsel Krim und die Unterstützung des Regimes in Damaskus im syrischen Bürgerkrieg bestraft werden. An der Börse in Moskau sorgte dies für große Unsicherheit. Dennoch behauptete Putin, dass die internationalen Sanktionen zu ungeahnten „positiven Effekten“geführt hätten. „Wir mussten unsere Köpfe anstrengen, Talente aktivieren und uns auf Ressourcen in Schlüsselbereichen konzentrieren.“
„Alles wird gut“
Die Weltpolitik blieb eher ein Nebenaspekt in der Sendung, zu der fast zwei Millionen Fragen geschickt wurden. Die russischen Bürger konnten im Studio anrufen oder SMS schicken bzw. wurden live aus den Regionen zugeschaltet. Dieses Jahr beschäftigten vor allem die Wirtschaftslage, Sozialpolitik, Wohnungsfragen und ob die Brücke zur annektierten ukrainischen Halbinsel Krim planmäßig fertiggestellt werde. „Ja“, bekräftigte der Präsident. „Alles wird gut, das bestätige ich“, sagte er an anderer Stelle.
Viele Fragen erschienen vorab ausgewählt, doch manchmal drang doch Spontaneität durch, oder sollte es so wirken? Etwa: „Glauben Sie wirklich diesen inszenierten Fragen?“Eine „sonderbare Fragestellung“, befand Putin. Ein Bauarbeiter aus Kaliningrad wollte wissen, ob er bereit sei mit der Opposition zu sprechen. Ein aktuelles Thema ein paar Tage nach der polizeilichen Auflösung der von Alexej Nawalny ausgerufenen Proteste. Putin meinte, er sei „bereit, mit allen zu sprechen, die das Ziel haben, das Leben der Menschen zu verbessern“. Gleichzeitig unterstellte er nicht näher bezeichneten Oppositionsvertretern, Probleme zum eigenen Vorteil zu missbrauchen.
Der Präsident, der ungern über Privates spricht, verriet, dass er zum zweiten Mal Großvater geworden sei. Details blieb er schuldig. Ebenso ließ er offen, ob er nochmals als Präsident zur Verfügung stehe. Auch diese „Lücken“sind Teil der sorgsam geplanten Inszenierung. (ag./som)