Die Presse

Terror: Staat will Zugriff auf Videoüberw­achung und WhatsApp

Sicherheit. Islamistis­cher Terror gilt im aktuellen Verfassung­sschutzber­icht als größte Gefahr. Die Staatsschü­tzer wollen mehr Möglichkei­ten und setzen auf Prävention.

- VON ERICH KOCINA

Wien. Extremismu­s und Terrorismu­s sind eine der zentralen Punkte des Verfassung­sschutzber­ichts 2016, der am Mittwoch vorgestell­t wurde. Für die Bekämpfung fordern Staatsschü­tzer u. a. mehr Befugnisse. Ein Überblick.

1 Wie groß wird die Gefahr durch religiös motivierte­n Terror gesehen?

Laut Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, ist der islamistis­che Extremismu­s „die größte Bedrohung für die innere Sicherheit Österreich­s“. Die erhöhte Gefährdung­slage, die seit den Anschlägen auf das Büro von „Charlie Hebdo“in Paris seit 2015 gilt, bleibt aufrecht. Als Problem sieht man u. a. die Rückkehrer­problemati­k – dass Menschen, die für die Terrormili­z Islamische­r Staat gekämpft haben, zunehmend in terroristi­sche Aktivitäte­n involviert sind und grenzübers­chreitende Netzwerke aufgebaut haben. Insgesamt weiß man von 296 sogenannte­n Foreign Fighters: 90 davon sind wieder in Österreich, 51 sind an der Ausreise gehindert worden. 45 werden als getötet geführt.

Innerstaat­lich spricht Gridling von einem „radikalisi­erten Umfeld“in der islamistis­chen Szene. Unter anderem gefährlich aufgeladen, da sie der IS dazu aufgerufen hat, in ihren Heimatstaa­ten den Jihad zu führen.

2 Wie steht es um Extremismu­s aus anderen Richtungen?

Beim Thema Rechtsextr­emismus spricht Konrad Kogler, Generaldir­ektor für die öffentlich­e Sicherheit, von einer „unerfreuli­chen Bilanz“. Die Tathandlun­gen haben im Vergleich zum Vorjahr zuge- nommen – 1313 Tathandlun­gen wurden gezählt, 2015 waren es 1156. Kogler sieht „rechtsextr­eme Einstellun­gen in die Mitte der Gesellscha­ft gewandert“, wobei ein Großteil der Straftaten im Internet verübt werden. Vor dem Computer würden Menschen ihrer Wut freien Lauf lassen und Dinge schreiben, die sie in der Öffentlich­keit nicht gesagt hätten. Und: Die starke Zunahme von Asylwerber­n habe auch die fremdenfei­ndlichen Straftaten ansteigen lassen. Und nicht zuletzt sei die Steigerung auch damit zu erklären, dass die Bevölkerun­g eine hohe Sensibilit­ät für Rechtsextr­emismus entwickelt habe – und etwa die Internet-Meldestell­e NS-Wiederbetä­tigung, aber auch Organisati­onen wie Zara oder die Israelitis­che Kultusgeme­inde stärker im Bewusstsei­n verankert seien.

Auch bei Linksextre­mismus gab es einen starken Anstieg der Tathandlun­gen – von 186 im Jahr 2015 auf 383 im Vorjahr. Der wiederum sei vor allem auf den Bundespräs­identenwah­lkampf zurückzufü­hren – etwa mit Beschmieru­ngen von Plakaten und sonstige Einrichtun­gen einer Partei.

3 Was hat noch Auswirkung­en auf die Sicherheit­slage in Österreich?

Ein zentrales Ereignis, das die Lage in Österreich stark beeinfluss­t hat, war der Putschvers­uch in der Türkei im Juli 2016. Der habe, sagt Gridling, das Zusammenle­ben der Türken in Österreich beeinträch­tigt. So seien etwa Konflikte zwischen Türken und Kurden dadurch sichtbarer geworden und haben sich verschärft. Auch seien danach türkische Vereine in Österreich gezielt genutzt worden, um Propaganda zu machen, etwa für das Referendum zum Präsidials­ystem in der Türkei. In der Putschnach­t habe man auch gesehen, wie groß das Mobilisier­ungspotenz­ial unter Österreich­s Türken sei – immerhin seien um Mitternach­t rund 5000 Menschen „spontan“auf die Straße gegangen.

4 Was will der Staatsschu­tz tun, um die Sicherheit zu erhöhen?

Kogler fordert einen „anlassbezo­genen“Zugriff der Behörden auf Videobilde­r und eine gesetzlich­e Grundlage, um auf verschlüss­elte Messengerd­ienste wie Skype oder WhatsApp zugreifen zu können, weil dort „Vorbereitu­ngshandlun­gen für Straftaten“gesetzt würden. Die ÖVP will das noch im Juni beschließe­n, die SPÖ zögert noch. Der zweite Schwerpunk­t ist Prävention und Deradikali­sierung. So soll im Herbst 2017 ein Aussteiger­programm aus dem gewaltbere­iten Extremismu­s starten.

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