Vom Garten Eden nach Australien
Wiener Festwochen. Das Back to Back Theatre gastiert mit „Lady Eats Apple“im Theater an der Wien: Ein besonderes Kammerspiel zu großen Themen wie der Liebe und dem Tod.
Am sommerlich-schwülen Mittwoch wartete das Festwochenpublikum im Foyer des Theaters an der Wien geduldig auf Einlass. Es wurde jedoch nicht in den Zuschauerraum gebeten, um die rund einstündige Aufführung von „Lady Eats Apple“zu sehen, sondern über einen langen Gang auf die Bühne geführt. Erst musste noch eine Luftschleuse aus Nylon passiert werden, um zur Tribüne für die Inszenierung des Australiers Bruce Gladwin zu gelangen. Innen herrschte der leichte Überdruck einer aufgeblasenen Halle – eine stickige Atmosphäre unter schwarzem Nylon.
Was anfangs wie eine Zumutung wirkt, erweist sich als die effektvollste Idee des Abends. Das schwarze Firmament führt zurück zum Ursprung, zur Genesis, als die Welt erschaffen wurde. Mit einem energischen Zug an einem Seil wird Gott (Scott Price) bald nach vollbrachter Schöpfung die schwarze Hülle einstürzen lassen, er vertreibt Adam und Eva (Mark Deans, Sarah Mainwaring) aus dem Paradies. Zuvor hat das Paar an einer verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis genascht. Auch der Tod wurde thematisiert. Ein offenbar noch älteres Wesen ermuntert Gott, ihn symbolisch zu erschießen. Sünde! Dann liegt dieser Mann, der Zeus, Satan oder ein Chaos-Therapeut sein könnte, bis zum Ende der Zeit reglos da.
Liebe, Sex und Ambitionen
Auch die zweite Hülle unter der schwarzen, eine weiße, wird nach einem einschläfernd wirkenden, psychedelischen Zwischenspiel fallen. Eben hörte man noch (über Kopfhörer) Texte zu Nahtoderfahrungen und Kompositionen von Chis Abrahams, sah Projektionen von Rhian Hinkley, nun ist der Blick frei auf den Zuseherraum des Theaters an der Wien, der hier zur Bühne wird. Auf hohem Rang spielt in größtmöglicher Distanz das Ensemble Gegenwart – ein Putzteam unterhält sich über Liebe, Sex, Treue, berufliche Ambitionen. Erst am Schluss werden die Darsteller wieder auf die schwarze Plattform zurückkehren und sich um den Sterbenden aus den Anfangsszenen kümmern.
Das rührt, wohl auch deshalb, weil man weiß, wer hier auftritt. Das Back to Back Theatre aus Geelong in der Nähe von Melbourne, das von Gladwin seit 1999 künstlerisch geleitet wird, gibt „Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung“, wie es im Pro- grammheft heißt, eine Bühne. Im Englischen wird an dem Abend erwähnt, dass einige davon das Down-Syndrom haben (im Deutschen ist dieser Ausdruck bereits verpönt, man spricht von Trisomie). Doch wesentlich an der Aufführung ist nicht die Sprachnorm, sondern mit welch großem Ernst und manchmal auch mit Heiterkeit und List gespielt wird. Diese Truppe ist ganz bei der Sache und lässt vergessen, dass dieses Stück doch etwas beliebig bis gefällig ist.
Die verbotene Frucht: Nur aus Papier
Am Anfang ist das Wort: Gott, salopp gekleidet, steht auf einem schwarzen Podium, sein Mentor sitzt, der Allmächtige benennt Tiere und Pflanzen. Ehe sein Gegenüber Tafeln umdreht und Bilder herzeigt, weiß der Schöpfer ihre Namen. Er bewegt sich nervös hin und her, sagt dann „Wolf“, „Elch“, „Kaninchen“oder „eine Art Pferd für mich“zu Zebra und Ross. Schließlich nennt er Mann und Weib. Auch die dürfen dann mit den Tafeln spielen, freuen sich über jeden Treffer. Und schon endet das Paradies. „Lady Eats Apple“bezieht sich auf die Entscheidung Evas, zusammen mit Adam eine verbotene Frucht zu essen. Hier ist es kein Apfel wie in der Übersetzung von Martin Luther, sondern ein Papierblatt mit einer amorphen Zeichnung einer Art Erdbeere, die vom Paar zerrissen und verspeist wird. Es folgt die Vertreibung nach dem Sündenfall, das schwarze Himmelszelt stürzt ein. Exit von Gott.
Auf die helle Hülle werden Lichtspiele projiziert, die sich nach und nach verdunkeln. Immerhin geht es ums Sterben, doch dieser leicht hypnotisierenden Sequenz fehlt das Zwingende, sie wirkt aufgesetzt. Ein starker Kontrast dazu ist dann das Spiel auf den Rängen. Über Kopfhörer kommt man dieser Gruppe mit ihren Sehnsüchten ganz nah – das sind sehr menschliche Szenen, es geht um Nähe, sozialen Status und auch um Wünsche, die versagt bleiben. Da will ein Darsteller die anderen unbedingt mit dem Auto wegführen. Er habe doch Trisomie, heißt es abwehrend. Das Ganze erhält auch eine komische Note. Still, ja besinnlich ist das Finale dieser bemerkenswerten Inszenierung, die nicht ganz schlüssig vielsagend ist, zumindest aber intensiv gespielt wird.