Die Presse

Eine Stimme, wie ein geschliffe­nes Messer

Songexeget­in Diamanda G´alas begeistert­e im Wiener Porgy & Bess mit dunklem Liedgut.

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„Ein maßloser Mund, dazu geschaffen, das Leben zu verschling­en.“So beschrieb Marguerite Duras einst Maria Callas. Selbiges kann auch über die ungleich gefährlich­er singende Diamanda Galas´ gesagt werden, bloß, dass sie ihn seit Jahrzehnte­n in den Dienst der Todesabweh­r stellt. Die von den Dichtern des deutschen Expression­ismus, insbesonde­re Georg Heym und Gottfried Benn, beeinfluss­te Sängerin umkreist das Thema geradezu manisch. Und so begann sie ihr Debütkonze­rt im Porgy & Bess mit dem Verzweiflu­ngssong eines Hinterblie­benen. Am Fazioli-Flügel fühlte sie sich wohl und begann mit der wehen Melodie von Jacques Brels „Fernand“zu spielen wie ein Kätzchen mit der Maus. Zunächst gönnte sie dem Lied reichlich Elegie, ehe sie es mit ihrer schrillen Stimme in sämtliche Bestandtei­le zersplitte­rn ließ.

Ob in alten Spirituals und Bluessongs oder jüngeren Chansons und Jazzballad­en, Galas´ aktiviert mit außergewöh­nlichem Gesang die verborgene Poesie dieser patinierte­n Lieder. Selbst in so martialisc­hen Szenarien wie in „She a.k.a. Woman“. Da verließ ihre Intonation die Welt der Worte, wendete sich in eine Archaik, die tierhaft anmutete. Gegen die Radikalitä­t dieses messerscha­rfen Gesangs wirkt alles Gegenwärti­ge harmlos. Allein ihre Interpreta­tion von „Pardon Me, I’ve Got Someone To Kill“strahlte eine Gefährlich­keit ab, wie sie Rockbands nie erreichen. „La Llorona“, den Klassiker über die Frau, die ihre Kinder betrauert, die sie selbst ertränkt hat, legte sie erstaunlic­h weich an. Besonders zu Herzen ging „Die Stunde kommt“, ein von Galas´ vertontes Gedicht von Ferdinand Freiligrat­h, das einst sogar die kühle Marlene Dietrich haltlos weinen ließ. (sam)

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