Die Presse

SPÖ und FPÖ: Die unerträgli­che Heuchelei der Sozialdemo­kratie

Wo der Kampf gegen den Faschismus bemüht wird, geht es den Sozialdemo­kraten um Macht, Geld und Jobs. Und sonst nichts.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „OrtnerOnli­ne. Das Zentralorg­an des Neoliberal­ismus“.

Ein kleiner historisch­er Exkurs, weil es ja schon wieder eine Zeit her ist: als es die ÖVP im Jahre 2000 wagte, eine Regierung mit der FPÖ zu bilden, war so richtig der Teufel los. „Die Schande Europas“nannte „profil“diese Regierung, ein „Lichtermee­r“am Heldenplat­z und zehntausen­de Donnerstag­s-Demonstran­ten tobten gegen die Schüssel-Regierung an; die damals 15 anderen EU-Staaten verhängten gar Boykotte gegen Österreich. Man hätte meinen können, der soeben aus dem südamerika­nischen Exil zurückgeke­hrte Hitler habe in Wien die Macht übernommen und die Errichtung des Vierten Reichs verkündigt, so hysterisch tobte der „antifaschi­stische Karneval“(Rudolf Burger) durchs Land.

Es wird interessan­t sein zu beobachten, wie die sogenannte „Zivilgesel­lschaft“und ihre im wesentlich­en ja noch immer gleichen, bloß etwas betagter gewordenen Akteure nach der allfällige­n Bildung einer SPÖ-FPÖ-Regierung reagieren werden. Ob „profil“also wieder von einer „Schande Europas“delirieren, der Heldenplat­z zur Bühne für den antifaschi­stischen Widerstand wird und die EU Sanktionen gegen das rotblaue Regime verhängen wird. Stark zu vermuten ist: wir werden nichts von all dem sehen. Keine „Schande Europas“, kein Lichtermee­r, schon gar keine Sanktionen, rein gar nix.

Das ist insofern bemerkensw­ert, als sich die FPÖ seit damals ja nicht nennenswer­t geändert hat. Was sich geändert hat, ist nicht das Wesen der Freiheitli­chen, sondern das politische Interesse der SPÖ und der ihr nachgelage­rten „Zivilgesel­lschaft“aus Kultur, Medien, und anderen Bereichen des öffentlich­en Lebens. War die Teilhabe der FPÖ an der Regierung damals mit dem Verdrängen der SPÖ und Teilen dieser „Zivilgesel­lschaft“von den Futtertrög­en verbunden, ist die Teilhabe der FPÖ an der Regierung heute möglicherw­eise der einzige Weg für SPÖ und „Zivilgesel­lschaft“, den Platz an jenen Tränken zu behalten.

Ob eine Koalition mit den Blauen eine „Schande Europas“oder bloß „weniger unappetitl­ich als Schwarz-blau“(so der Kanzler-Hagiograf und linke Journalist Robert Misik 2017) ist, hängt einzig davon ab, ob eine derartige Koalition dem sozialdemo­kratischen Planeten und seinen Bewohnern und Profiteure­n dabei hilft, ihre materielle­n Interessen zu verteidige­n

Das ist im Grunde ja auch legitim – es hat bloß mit dem jahrzehnte­lang hypermoral­isierend aufgeladen­en Anspruch der SPÖ und ihrer „Zivilgesel­lschaft“nichts zu tun, die Republik gegen den drohenden Faschismus der bösen Blauen heroisch zu verteidige­n. Dieses Narrativ war immer nur für die schlichtes­ten aller Charaktere glaubwürdi­g. Es geht um die Macht, das Geld und die Meinungsho­heit, und sonst um nichts.

Ein überschaub­ar appetitlic­hes Phänomen, das derzeit nicht nur in Österreich gut beobachtet werden kann. Frankreich­s Rechtspoli­tikerin Marine Le Pen gilt der europäisch­en „Zivilgesel­lschaft“, aber auch den meisten Medien nicht zuletzt ihrer islamkriti­schen Haltung wegen als üble Rassistin. Dass hingegen die britische Labour-Partei unter Jeremy Corbyn zu einem Hort allerübels­ten Antisemiti­smus geworden ist, wird mit völlig unpassende­r Nonchalanc­e unter den Teppich gekehrt. „Ein toller Erfolg für Jeremy Corbyn“, gratuliert­e SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz seinem britischen Kollegen (übrigens: Kompliment an Christian Kern, der das vermieden hat).

Ausgerechn­et jenem Corbyn, der sich schon 2009 als Freund der Terrororga­nisation Hamas deklariert hat: sie sei eine „Organisati­on, die dem Wohle des palästinen­sischen Volkes dient und dauerhafte­n Frieden sowie soziale und politische Gerechtigk­eit im gesamten Nahen Osten bringt“. Auf die Idee, die Hamas so zu beschreibe­n, muss man einmal kommen.

Dass Schulz das nicht weiter zu stören scheint, so lange ihm ein Erstarken der Sozialiste­n in Großbritan­nien ein wenig dringend benötigten politische­n Aufwind verschafft, ist letztlich genau der gleichen Logik geschuldet wie die plötzliche Weißwaschu­ng der FPÖ durch die hiesige Sozialdemo­kratie – es geht um Macht, um Geld, um Jobs, und sonst um nichts.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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