Die Presse

Wenn das Geld nicht reicht

Regress. Wenn das Geld für den Heimplatz fehlt, greifen die Länder auch auf das Vermögen der Betroffene­n zurück. SPÖ und ÖVP verspreche­n Reformen: Die Pflege wird zum Wahlkampft­hema.

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Die Länder holen sich die Kosten für Heimplätze zumindest teilweise von den Betroffene­n zurück. SPÖ und ÖVP verspreche­n Reformen.

Wien. Mit dem Wahlkampf rückt auch die ungelöste Pflegefina­nzierung wieder in den Blick. Derzeit sind die Bundesländ­er dafür zuständig. Sie holen sich die Kosten für die Heimplätze zumindest teilweise von den Betroffene­n zurück und greifen dabei auch auf deren Vermögen zu. Teilweise kommen auch die Ehepartner in die Ziehung. Der „Angehörige­nregress“bei den Kindern wurde aber flächendec­kend abgeschaff­t.

Zur Finanzieru­ng der Pflegeplät­ze behalten die Länder die Pension und das Pflegegeld der Betroffene­n ein. Behalten dürfen die Pflegebedü­rftigen 20 Prozent ihrer Pension sowie einen Teil des Pflegegeld­es. Reichen Pension und Pflegegeld nicht aus, wird auch das Vermögen herangezog­en. So kann etwa eine Eigentumsw­ohnung belastet werden. Nur ein „Freibetrag“bleibt unangetast­et. In mehreren Ländern können auch Ehegatten und Lebenspart­ner zur Kostenbete­iligung gezwungen werden.

Bundeskanz­ler Christian Kern hat die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses bereits zur Koalitions­bedingung der SPÖ erklärt. Auch ÖVPObmann Sebastian Kurz hat einen Vorschlag zum Pflegeregr­ess für Herbst angekündig­t. Kosten würde das laut Sozialmini­sterium 100 Millionen Euro im ersten Jahr und in weiterer Folge 200 Millionen Euro – auch, weil man damit rechnet, dass ohne Regress mehr Menschen stationäre Pflege in Anspruch nehmen. Aktuell sind es 75.000 bis 80.000, wobei das Ministeriu­m schätzt, dass die Hälfte vom Vermögensr­egress betroffen ist.

Die SPÖ möchte im Gegenzug eine Erbschafts- und Schenkungs­steuer ab einer Million Euro einführen. Ihrer Rechnung nach würde eine solche Abgabe jährlich rund 500 Millionen Euro bringen. Die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses wäre also mehr als abgesicher­t.

Wie sehen die Regressreg­eln in den Bundesländ­ern nun aus? Wie aus einer Aufstellun­g des Sozialmi- nisteriums hervorgeht, liegt der „Freibetrag“je nach Bundesland zwischen 4000 (Wien) und 12.660,90 Euro (Niederöste­rreich). Der „Ehegattenr­egress“ist bis auf Kärnten, Steiermark und Niederöste­rreich in allen Ländern möglich, in Wien allerdings nur dann, wenn ein zivilrecht­licher Unterhalts­anspruch besteht und ohne Zugriff auf das Vermögen.

Auch für den Rückgriff auf das Vermögen der Pflegebedü­rftigen gibt es unterschie­dliche Fristen. In der Regel sind es drei Jahre, in Salzburg fünf, in Vorarlberg bis zu zehn Jahre. Außerdem kann das Vermögen nicht einfach durch Verschenke­n oder Vererben „in Sicherheit gebracht“werden: Für Erben gibt es teils empfindlic­h längere Regressfri­sten (in Wien zehn Jahre), auch Geschenke können bis zu fünf Jahre zurückgefo­rdert werden.

Dass die Pflege und ihre Finanzieru­ng schon in naher Zukunft zu einer (politische­n) Herausford­erung werden, zeigt auch eine aktu- elle Wifo-Studie („Die Presse“berichte vor Kurzem). Demnach steigen die Ausgaben für das Pflegegeld bereits in den nächsten zehn Jahren – inflations­bereinigt – um 12,4 Prozent. Noch drastische­r ist es bei den Pflegedien­stleistung­en: Hier droht eine Ausgabenst­eigerung um rund 48 Prozent.

Die Bevölkerun­g wird älter

In die Studie wurde sowohl der medizinisc­he Fortschrit­t, durch den man erst später Pflege benötigen wird, als auch die Lebenserwa­rtung einberechn­et. Die demografis­che Entwicklun­g wird höhere Pflegeausg­aben erst recht nötig machen. Während im Jahr 2015 der Anteil der Personen ab 80 Jahren an der Bevölkerun­g noch fünf Prozent ausmachte, wird er bis 2030 auf 6,9 und bis 2050 auf 11,5 Prozent steigen. Die Senioren ab 65 werden langfristi­g sogar die Bevölkerun­gsmehrheit stellen (fast 55 Prozent im Jahr 2065 gegenüber knapp 30 Prozent im Jahr 2015). (APA/red.)

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