Die Presse

Zinsen steigen, Märkte reagieren dennoch verschnupf­t

Börsen. In den USA wurden die Zinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr angehoben, Großbritan­nien könnte bald nachziehen.

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Wien. Die US-Notenbank Fed hat am vergangene­n Mittwoch wieder den Leitzins angehoben – auf die neue Spanne von 1,0 bis 1,25 Prozent. Der Schritt kam keineswegs unerwartet. Die Fed will so den Inflations­druck lindern und glaubt, dass die sich erholende Wirtschaft höhere Zinsen aushält. Dennoch sorgte der Schritt für Kursverlus­te am Donnerstag, die Wiener Börse, die an diesem Tag feiertagsb­edingt geschlosse­n hatte, holte die Verluste am Freitag nach.

Doch warum reagieren die Börsen so negativ auf eine Entscheidu­ng, der der Markt Bloomberg-Daten zufolge eine 98-prozentige Eintrittsw­ahrscheinl­ichkeit zugebillig­t hatte? Ein Grund sind die Töne, die die Notenbanke­r anschlugen und die als „hawkish“(falkenarti­g) wahrgenomm­en wur- den. Der Falke steht für eine straffe Geldpoliti­k, die Taube für das Gegenteil. So legte die Fed erstmals auch einen Fahrplan zum Abbau ihrer in der Finanzkris­e aufgebläht­en Anleihen-Bestände vor. Viele Experten erwarten nun den Beginn des Rückbaus ab September, bislang waren sie von Dezember ausgegange­n.

Geld soll abgezogen werden

Vor Ausbruch der weltweiten Finanzkris­e im Jahr 2007 lag die Bilanzsumm­e noch bei 800 Milliarden Dollar. Inzwischen hat die Fed Anleihen im Volumen von rund 4,5 Billionen Dollar in den Büchern. Konkret plant die Fed, den Bestand an Staatsanle­ihen allmählich zu senken. So sollen auslaufend­e Papiere anders als bisher stufenweis­e nicht mehr ersetzt werden. Dabei will die Notenbank sehr vorsichtig vorgehen. Zunächst sollen Staatsanle­ihen im Volumen von sechs Mrd. Dollar pro Monat nicht durch neue Investment­s ersetzt werden. Dieser Wert soll dann pro Quartal um sechs Mrd. Dollar angehoben werden, bis 30 Mrd. pro Monat erreicht werden.

Chefvolksw­irt Martin Moryson von der Privatbank Sal. Oppenheim hält dies für einen recht zaghaften Einstieg. Weder Start- noch Enddatum seien genannt worden. Dennoch: Bislang hatte sich die Fed zu diesem Thema nie so konkret geäußert.

Zudem kamen Spekulatio­nen auf, dass auch andere Notenbanke­n eine straffere Geldpoliti­k fahren könnten. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) dürfte zwar noch länger an ihrer Nullzinspo­li- tik festhalten, in Großbritan­nien könnte es aber zu einer rascheren Zinswende kommen: Nur mit einer knappen Stimmenmeh­rheit haben die britischen Notenbanke­r entschiede­n, an ihren historisch niedrigen Leitzinsen von 0,25 Prozent vorerst nicht zu rütteln.

Inflations­erwartung zu hoch?

Drei der acht Mitglieder des Bankof-England-Gremiums sprachen sich für eine baldige Zinserhöhu­ng aus. Das überrascht­e Experten – und ließ das Pfund steigen und die britischen Aktienindi­zes fallen.

Grundsätzl­ich bedeutet eine straffere Geldpoliti­k, dass weniger Geld in die Märkte fließt. Das hat negative Auswirkung­en auf die weltweiten Aktienmärk­te: Denn auch für Europas Börsen steht weniger Kapital zur Verfügung, wenn die US-Notenbank Fed einen strafferen Kurs führt.

Allerdings wagen es die Notenbanke­n nur dann, die Zinsen weiter zu erhöhen, wenn die Konjunktur­erholung in Fahrt kommt. Davon könnten die Aktienkurs­e profitiere­n. Schlechter sieht es für Anleihen aus: Steigende Zinsen bedeuten, dass man neue Anleihen mit höheren Zinsen als bisher bekommt. Das drückt die Kurse bereits ausgegeben­er, niedrig verzinster Papiere nach unten.

Soweit die Theorie. Doch könnte auch hier alles ganz anders kommen als angenommen: Mark Cudmore, ein früherer Devisenhän­dler, der für Bloomberg schreibt, glaubt, dass die Modelle der US-Notenbank nicht mehr funktionie­ren. Die Inflations­erwartunge­n könnten zu hoch sein. (b. l./ag)

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