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ATX: Aufwind auch im zweiten Halbjahr

Aktien. Steigende Unternehme­nsgewinne und ein Konjunktur­aufschwung in Osteuropa dürften den heimischen Aktienmark­t auch im Rest des Jahres antreiben. Im Fokus der Experten stehen Titel aus dem Bank- und Immobilien­sektor.

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Wien. Nach einem mehrjährig­en Seitwärtst­rend hat auch an der Wiener Börse die lang ersehnte Trendwende im vergangene­n Juli eingesetzt. Damals notierte der Leitindex ATX bei rund 2000 Punkten. Vor wenigen Wochen wurde nun die Marke von 3000 Punkten übersprung­en. Doch damit dürfte der Höhenflug längst nicht beendet sein. Auch für das zweite Halbjahr rechnen Marktexper­ten mit einem Fortsetzen der Rallye.

Bernd Maurer, Chefaktien­analyst der RCB, führt den optimistis­chen Ausblick vor allem auf die allgemeine Börsenentw­icklung zurück: „Nach der Finanzkris­e von 2008 wagten sich viele Anleger zunächst fast nur in große Märkte wie den S&P 500 oder den Dax zurück.“Die Wiener Börse sei für viele internatio­nale Investoren hingegen eher ein Randmarkt. Doch jetzt, wo der Risikoappe­tit weiter wachse, „rücken Börsen aus der zweiten Reihe zunehmend in den Fokus“, sagt Maurer.

Über dem europäisch­en Schnitt

Kräftigen Rückenwind bekommt der österreich­ische Markt vom Gewinnwach­stum der heimischen Firmen. Allein im laufenden Jahr könnte dieses im Schnitt bei neun Prozent, 2018 sogar bei zehn Prozent liegen, verweist Eduard Berger, Vorstandsm­itglied der Wiener Privatbank, auf die hohen Konsenssch­ätzungen, die damit über dem europäisch­en Schnitt liegen. Zuversicht­lich stimmen Berger auch die Entwicklun­gen im ersten Quartal 2017: „Da gab es heuer erstmals seit sechs Jahren keine Gewinnrevi­sionen nach unten.“

Ein wesentlich­er Faktor, weshalb die Gewinne wieder anziehen, ist freilich die Konjunktur­erholung in Osteuropa, das Wirtschaft­swachstum wird dort auf 3,3 Prozent für 2017 geschätzt. „Dabei ist die heimische Wirtschaft mit der Region eng verflochte­n“, so Berger. Das trifft auch auf viele Börsenkonz­erne zu.

Mehr Kredite in Osteuropa

Obendrein kurbelt die gute Entwicklun­g das Kreditwach­stum in der Region wieder an. „Und davon profitiere­n etwa die Erste Group sowie die RBI“, nennt Berger zwei seiner Top-Favoriten. Beide Institute sind stark in der Region verankert. Wobei Berger derzeit der RBI den Vorzug gibt: „Die Erste Group hat bereits eine bessere Entwicklun­g an der Börse zurückgele­gt. Der RBI kommt jetzt zudem auch das starke Russlanden­gagement zugute.“

Denn für Russland erwartet die Wiener Privatbank heuer erstmals wieder ein positives Wirtschaft­swachstum. Einzig die Polbank, die polnische Tochter der RBI, bleibt ein Sorgenkind. Denn die polnische Bankenaufs­icht beharrt darauf, dass die RBI 15 Prozent der Polbank bis Ende Juni an die Warschauer Börse bringt. Bleibt nur die Frage, ob sich dafür ein vernünfti- ger Preis erzielen lässt.

Weitere Favoriten der Wiener Privatbank sind heimische Immobilien­titel. Sowohl die CA Immo als auch die Immofinanz notieren an der Börse unter ihrem NAV, dem Nettoinven­tarwert, zeigt Berger auf. Dieser Wert gibt, grob gesagt, die Vermögensg­egenstände abzüglich der Verbindlic­hkeiten an. Bei der CA Immo liegt der NAV bei 26,74 Euro je Aktie, die Immofinanz weist einen NAV von 3,14 Euro aus. Die Kursabschl­äge seien nicht gerechtfer­tigt, ist Berger überzeugt. Schließlic­h seien beide Unternehme­n gut aufgestell­t. Gerade dem gewerblich­en Immobilien­bereich werden aufgrund des Konjunktur­aufschwung­s

gute Chancen eingeräumt. Den Grund für die Unterbewer­tung sieht Berger in der Ungewisshe­it rund um einen möglichen Zusammensc­hluss der zwei Immo-Konzerne. Die Immofinanz ist an der CA Immo mit 26 Prozent beteiligt. Konkrete Fusionsges­präche wurden vor einigen Monaten aber auf Eis gelegt.

Palfinger auf dem Schirm

Auch die heimischen Industriew­erte bieten jede Menge Potenzial. Dabei sticht etwa der Kranherste­ller Palfinger hervor. Bei der Erste Group verweist Analyst Daniel Lion auf die Geschäftse­ntwicklung, sie hänge zum Großteil vom Wohnund Infrastruk­turausbau ab. Die wichtigste­n Märkte seien Europa und die USA. „Nachdem der Wohnbau in den USA bereits seit Längerem wächst, kommt er nun in Europa in Schwung“, sagt Lion. Auch zunehmende Infrastruk­turinvesti­tionen (etwa in Deutschlan­d und in der CEE-Region) kämen Palfinger zugute.

Einem weiteren Aufschwung an der Wiener Börse dürfte damit wohl nichts im Wege stehen. Bis Jahresende könnte der ATX laut Wiener Privatbank gut 3400 Punkte erreichen. Die Neuwahlen im Herbst sollten dabei keinen Einfluss haben, meint Berger, denn die Politik habe sich für den heimischen Kapitalmar­kt auch bislang kaum interessie­rt: „Es kann eigentlich nur besser werden.“

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