Die Presse

Ein moralische­s Angebot

Ethik. Nachhaltig­e Investment­s sind noch nicht der Renner, verzeichne­n aber starke Zuwachsrat­en. Größter nachhaltig­er Investor in Österreich sind die Vorsorgeka­ssen.

- VON BEATE LAMMER

Wien. Ganz ehrlich – legen Sie Ihr Vermögen nach ethischen oder nachhaltig­en Kriterien an? Die meisten werden diese Frage wohl mit Nein beantworte­n, weil sie bei der Geldanlage auf andere Kriterien achten oder weil sie über kein nennenswer­tes Vermögen verfügen. Womöglich irren sie sich.

Denn die eifrigsten nachhaltig­en Investoren in Österreich sind die Vorsorgeka­ssen, die die Gelder für die Abfertigun­g neu verwalten. 3,23 Millionen Menschen haben Ansprüche aus einer Vorsorgeka­sse. Zu ihnen zählen alle, die ab 2003 ein neues Beschäftig­ungsverhäl­tnis eingegange­n sind, sowie seit 2008 freie Dienstnehm­er und Selbststän­dige. Der Arbeitgebe­r zahlt verpflicht­end 1,53 Prozent des Bruttoentg­elts in eine Vorsorgeka­sse ein. Diese legt das Geld im Idealfall gewinnbrin­gend an, und später erhält man eine Abfertigun­g oder Zusatzpens­ion. Mehr als neun Mrd. Euro verwalten die Vorsorgeka­ssen derzeit, mehr als die Hälfte davon wird nach nachhaltig­en Kriterien veranlagt. Letzteres geht aus dem jüngsten Marktberic­ht des „Forums Nachhaltig­e Geldanlage­n“(FNG) hervor. Für viele Österreich­er wird damit bereits ein Teil ihres Vermögens „nachhaltig“veranlagt, ohne dass sie es wissen.

Doch was bedeutet überhaupt „nachhaltig“? Das ist von Anbieter zu Anbieter verschiede­n. Nahezu alle Fonds und Mandate wenden Ausschluss­kriterien an. 89 Prozent schließen Rüstungsun­ternehmen von der Veranlagun­g aus. 88 Prozent investiere­n keinesfall­s in Kernenergi­elieferant­en. Tabakherst­eller werden von 83 Prozent der nachhaltig­en Fonds nicht erworben. Bei je 82 Prozent stehen Firmen, die für Arbeitsrec­htsverletz­ungen, Pornografi­e oder Menschenre­chtsverlet­zungen verantwort­lich sind, auf der No-go-Liste. 78 Prozent investiere­n nicht in Gentechnik­firmen, 67 Prozent lehnen Unternehme­n ab, die durch Korruption aufgefalle­n sind, 64 Prozent solche, die Tierversuc­he anwenden. Glücksspie­lanbieter werden von jedem zweiten nachhaltig­en Fonds ausgeschlo­ssen.

Länder mit Todesstraf­e ausgeschlo­ssen

Auch Staaten können auf die Ausschluss­liste von nachhaltig­en Fonds geraten. 55 Prozent kaufen keine Anleihen von Staaten, die die Todesstraf­e anwenden, 47 Prozent schließen diktatoris­che Systeme aus, 42 Prozent Länder, in denen Korruption stark verbreitet ist. 40 Prozent schließen Staaten mit Kernenergi­e aus, 32 Prozent solche, die bestimmte Umweltkonv­entionen nicht ratifizier­t haben.

Doch gibt es nicht nur Negativkri­terien. 81 Prozent aller nachhaltig­en Fonds und Mandate wenden einen Best-in-Class-Ansatz an, investiere­n also in diejenigen Firmen jeder Branche, die am nachhaltig­sten handeln. Zwei Drittel achten weiters darauf, ob sich die Unternehme­n an die Vorgaben der Kernarbeit­snorm der Arbeitsorg­anisation ILO halten oder den UN Global Compact anwenden (das ist ein Pakt, der zwischen Unternehme­n und der UNO geschlosse­n wird, um die Globalisie­rung sozialer und ökologisch­er zu gestalten). Gut 60 Prozent der Fonds achten darauf, ob sich die Unternehme­n in Umwelt- und Menschenre­chtsfragen engagieren und auf eine faire Unternehme­nsführung Wert legen.

Bleibt die Frage, ob sich nachhaltig­es Investiere­n auch finanziell auszahlt. Wolfgang Pinner, stellvertr­etender FNG-Vorstandsv­orsitzende­r und im Fondsmanag­ement der Raiffeisen KAG tätig, ist jedenfalls dieser Ansicht: „In vielen Problemfir­men waren wir von vornherein gar nicht investiert.“Denn umweltschä­digendes Verhalten könne auch wirtschaft­liche Folgen haben. Er erinnert an die Explosion der im Auftrag von BP betriebene­n Ölplattfor­m Deepwater Horizon im Jahr 2010, an den Kernkraftw­erksbetrei­ber Tepco (Fukushima) oder an die vor zwei Jahren ausgebroch­ene Diesel-Abgasaffär­e bei Volkswagen.

Tesla nachhaltig, aber teuer

Doch konnte man die Abgasaffär­e wirklich vorhersehe­n? VW hätte die Ausschluss­kriterien durchaus bestanden, erklärt Pinner. Doch Branchenko­llegen wie Tesla, Renault, BMW oder Peugeot hätten in Sachen Nachhaltig­keit besser abgeschnit­ten, VW rangiere nur im Mittelfeld. In Tesla habe man aber auch nicht investiert – und zwar aus wirtschaft­lichen Gründen: Der US-Elektroaut­obauer sei überbewert­et.

Doch erleiden nicht auch Aktien von dezidiert nachhaltig­en Firmen oft schwere Kursverlus­te, etwa die deutschen Solar- firmen, von denen viele in den vergangene­n Jahren pleitegega­ngen sind?

Solche Probleme habe man vor allem bei reinen Themenfond­s, stellt Pinner fest. Themenfond­s investiere­n nur in Unternehme­n bestimmter nachhaltig­er Branchen, etwa Solarenerg­ie oder E-Mobilität. Dann ist man oft stark von einer Branche abhängig.

Das hierzuland­e nachhaltig veranlagte Vermögen beläuft sich auf 12,63 Mrd. Euro. Vor einem Jahr waren es erst 10,22 Mrd. Euro, vor zehn Jahren 1,4 Mrd. Euro. Drei Viertel sind in den Händen von institutio­nellen Investoren, ein Viertel wird von Privaten veranlagt. Bei den institutio­nellen Investoren handelt es sich zu 59 Prozent um Vorsorgeka­ssen, gefolgt von kirchliche­n Institutio­nen (elf Prozent), Versicheru­ngen (zehn Prozent), Pensionska­ssen (8,3 Prozent), betrieblic­hen Kollektivv­ersicherun­gen (4,1 Prozent) und der öffentlich­en Hand (ebenfalls 4,1 Prozent). Der Rest entfällt auf „Sonstige“.

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