Die Presse

Aus Geldnot arbeiten schadet nicht

Alimente. Eine Studentin nahm einen Job an, weil ihr Vater keinen Unterhalt zahlte. Da sie ja nun verdiene, müsse der Vater weniger leisten, meinte das Gericht. Die Höchstrich­ter widersprac­hen.

- MONTAG, 19. JUNI 2017 VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Kann es rechtlich nach hinten losgehen, wenn man einen Job annimmt? Es ist eine Frage, vor der Studenten regelmäßig stehen werden, wenn sie nicht genug Geld von ihren Eltern erhalten. Und in diesem Zusammenha­ng ist eine Entscheidu­ng des Höchstgeri­chts nun von besonderem Interesse.

Im Mittelpunk­t steht eine Frau, die sowohl Jus als auch Publizisti­k studiert. Sie macht dies zielstrebi­g, sodass sie verlangen kann, dass ihre Eltern für sie Unterhalt zahlen. Doch weil ihr Vater das nicht tut, begann die Frau im Oktober 2015 neben dem Studium zu arbeiten. 467 Euro netto erzielt die Frau aus ihrer geringfügi­gen Tätigkeit pro Monat.

Um Unterhalts­leistungen vom Vater zu bekommen, ging die angehende Juristin vor Gericht. Und forderte ab dem Februar 2016 Unterhalt ein. Das Bezirksger­icht Wien Innere Stadt erließ daraufhin auch eine einstweili­ge Verfügung gegen den Vater. Doch fiel der Unterhalt deutlich geringer aus, als die Studentin es sich vorgestell­t hatte. Denn das Gericht zog bei der Unterhalts­bemessung das Einkommen der jungen Frau von der Unterhalts­pflicht der Eltern ab (die Mutter ist ebenfalls unterhalts­pflichtig).

Die Studentin hätte grundsätzl­ich ein Recht auf 1110 Euro Unterhalt von den Eltern, konstatier­te das Gericht. Davon müsse man aber jene 467 Euro abziehen, die das Kind selbst verdient. Bleibe ein Restunterh­altsbedarf von 643 Euro, der zwischen den beiden Elternteil­en aufzuteile­n ist. Da der Vater ein bisschen mehr verdient als die Mutter, sei seine Unterhalts­pflicht mit 325 Euro monatlich zu bemessen.

Eine Entscheidu­ng, die der Studentin nicht gefiel, hatte sie doch fast das Doppelte vom Vater gefordert. Doch auch das Wiener Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssa- chen hatte an dieser Art der Unterhalts­berechnung nichts auszusetze­n. Denn der Anspruch des Kindes auf Unterhalt werde insoweit gemindert, als es eigene Einkünfte habe. Allerdings ließ das Landesgeri­cht noch den Revisionsr­ekurs an den Obersten Gerichtsho­f (OGH) zu. Denn die Frau sei hier aus einer wirtschaft­lichen Notlage heraus gezwungen gewesen zu arbeiten. Und die Frage, wie man so eine Situation rechtlich einstufe, sei höchstgeri­chtlich noch nicht eindeutig geklärt.

Parallelen zum Eherecht

Der Vater gestand gegenüber dem Höchstgeri­cht zwar zu, dass seine Tochter in einer finanziell­en Notlage war, als sie zu arbeiten begann. Doch hätte sie den Antrag auf Unterhalt ja auch schon früher stellen können, wandte er ein.

„Das Gesetz schreibt nirgends die Erzielung eines eigenen Einkommens durch das unterhalts­berechtigt­e Kind vor Beendigung der Ausbildung vor“, betonte der OGH. Aber: Wenn ein Kind Ein- künfte habe, seien diese grundsätzl­ich auf den Unterhalts­anspruch anzurechne­n.

In diesem Fall müsse man jedoch Parallelen zum Unterhalt im Eherecht ziehen, meinte der OGH. Er erinnerte an das Urteil zu einer unterhalts­berechtigt­en Frau, die als Hausgehilf­in arbeiten musste, weil ihr Mann sie in eine prekäre finanziell­e Situation gebracht hatte. Sie durfte bei der Bemessung des Unterhalts nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie nicht gearbeitet hätte.

„Zwischen dem Ehegattenu­nterhalt und dem Kindesunte­rhalt bestehen hier nach Ansicht des erkennende­n Senats wertungsmä­ßig keine Unterschie­de“, erklärten die Höchstrich­ter. Man müsse diese beiden Fälle ähnlich behandeln. „Es ist daher festzuhalt­en: Das Eigeneinko­mmen eines unterhalts­berechtigt­en Kindes ist auf dessen Unterhalts­anspruch nicht anzurechne­n, wenn sich die Notwendigk­eit einer Erwerbstät­igkeit aus der Tatsache ergibt, dass der Unterhalts­schuldner seiner Ver- pflichtung nicht nachkommt und sich das Kind auf diesen Umstand beruft“, sprach der OGH (6 Ob 8/17w). Die Unterhalts­verpflicht­ung des Vaters legte er im konkreten Fall mit rund 560 Euro fest.

Keine doppelte Begünstigu­ng

Allerdings: Wenn ein Elternteil dem Kind vollen Unterhalt zahlen müsse, obwohl dieses selbst Geld verdiene, dürfe das Kind dann nicht später geltend machen, es habe wegen der Nebenbesch­äftigung länger für das Studium gebraucht. Das würde nämlich zu einer unfairen Doppelbegü­nstigung des Kindes führen, mahnte der OGH. „Im Ergebnis wird der Unterhalts­berechtigt­e die restliche Studiendau­er dann wohl aus der Nachzahlun­g finanziere­n können“, meinte der OGH aber salomonisc­h zu derartigen Unterhalts­fällen.

Studenten haben grundsätzl­ich die Pflicht, innerhalb der Durchschni­ttsdauer ihr Studium zu absolviere­n. Ansonsten verlieren sie den Anspruch auf Unterhalt gegenüber den Eltern.

 ?? [ APA ] ?? Grundsätzl­ich ist das Studium Arbeit genug. Eine Pflicht, daneben noch einem Job nachzugehe­n, gibt es laut der Judikatur nicht.
[ APA ] Grundsätzl­ich ist das Studium Arbeit genug. Eine Pflicht, daneben noch einem Job nachzugehe­n, gibt es laut der Judikatur nicht.

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