Aus Geldnot arbeiten schadet nicht
Alimente. Eine Studentin nahm einen Job an, weil ihr Vater keinen Unterhalt zahlte. Da sie ja nun verdiene, müsse der Vater weniger leisten, meinte das Gericht. Die Höchstrichter widersprachen.
Wien. Kann es rechtlich nach hinten losgehen, wenn man einen Job annimmt? Es ist eine Frage, vor der Studenten regelmäßig stehen werden, wenn sie nicht genug Geld von ihren Eltern erhalten. Und in diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Höchstgerichts nun von besonderem Interesse.
Im Mittelpunkt steht eine Frau, die sowohl Jus als auch Publizistik studiert. Sie macht dies zielstrebig, sodass sie verlangen kann, dass ihre Eltern für sie Unterhalt zahlen. Doch weil ihr Vater das nicht tut, begann die Frau im Oktober 2015 neben dem Studium zu arbeiten. 467 Euro netto erzielt die Frau aus ihrer geringfügigen Tätigkeit pro Monat.
Um Unterhaltsleistungen vom Vater zu bekommen, ging die angehende Juristin vor Gericht. Und forderte ab dem Februar 2016 Unterhalt ein. Das Bezirksgericht Wien Innere Stadt erließ daraufhin auch eine einstweilige Verfügung gegen den Vater. Doch fiel der Unterhalt deutlich geringer aus, als die Studentin es sich vorgestellt hatte. Denn das Gericht zog bei der Unterhaltsbemessung das Einkommen der jungen Frau von der Unterhaltspflicht der Eltern ab (die Mutter ist ebenfalls unterhaltspflichtig).
Die Studentin hätte grundsätzlich ein Recht auf 1110 Euro Unterhalt von den Eltern, konstatierte das Gericht. Davon müsse man aber jene 467 Euro abziehen, die das Kind selbst verdient. Bleibe ein Restunterhaltsbedarf von 643 Euro, der zwischen den beiden Elternteilen aufzuteilen ist. Da der Vater ein bisschen mehr verdient als die Mutter, sei seine Unterhaltspflicht mit 325 Euro monatlich zu bemessen.
Eine Entscheidung, die der Studentin nicht gefiel, hatte sie doch fast das Doppelte vom Vater gefordert. Doch auch das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssa- chen hatte an dieser Art der Unterhaltsberechnung nichts auszusetzen. Denn der Anspruch des Kindes auf Unterhalt werde insoweit gemindert, als es eigene Einkünfte habe. Allerdings ließ das Landesgericht noch den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof (OGH) zu. Denn die Frau sei hier aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus gezwungen gewesen zu arbeiten. Und die Frage, wie man so eine Situation rechtlich einstufe, sei höchstgerichtlich noch nicht eindeutig geklärt.
Parallelen zum Eherecht
Der Vater gestand gegenüber dem Höchstgericht zwar zu, dass seine Tochter in einer finanziellen Notlage war, als sie zu arbeiten begann. Doch hätte sie den Antrag auf Unterhalt ja auch schon früher stellen können, wandte er ein.
„Das Gesetz schreibt nirgends die Erzielung eines eigenen Einkommens durch das unterhaltsberechtigte Kind vor Beendigung der Ausbildung vor“, betonte der OGH. Aber: Wenn ein Kind Ein- künfte habe, seien diese grundsätzlich auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen.
In diesem Fall müsse man jedoch Parallelen zum Unterhalt im Eherecht ziehen, meinte der OGH. Er erinnerte an das Urteil zu einer unterhaltsberechtigten Frau, die als Hausgehilfin arbeiten musste, weil ihr Mann sie in eine prekäre finanzielle Situation gebracht hatte. Sie durfte bei der Bemessung des Unterhalts nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie nicht gearbeitet hätte.
„Zwischen dem Ehegattenunterhalt und dem Kindesunterhalt bestehen hier nach Ansicht des erkennenden Senats wertungsmäßig keine Unterschiede“, erklärten die Höchstrichter. Man müsse diese beiden Fälle ähnlich behandeln. „Es ist daher festzuhalten: Das Eigeneinkommen eines unterhaltsberechtigten Kindes ist auf dessen Unterhaltsanspruch nicht anzurechnen, wenn sich die Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit aus der Tatsache ergibt, dass der Unterhaltsschuldner seiner Ver- pflichtung nicht nachkommt und sich das Kind auf diesen Umstand beruft“, sprach der OGH (6 Ob 8/17w). Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters legte er im konkreten Fall mit rund 560 Euro fest.
Keine doppelte Begünstigung
Allerdings: Wenn ein Elternteil dem Kind vollen Unterhalt zahlen müsse, obwohl dieses selbst Geld verdiene, dürfe das Kind dann nicht später geltend machen, es habe wegen der Nebenbeschäftigung länger für das Studium gebraucht. Das würde nämlich zu einer unfairen Doppelbegünstigung des Kindes führen, mahnte der OGH. „Im Ergebnis wird der Unterhaltsberechtigte die restliche Studiendauer dann wohl aus der Nachzahlung finanzieren können“, meinte der OGH aber salomonisch zu derartigen Unterhaltsfällen.
Studenten haben grundsätzlich die Pflicht, innerhalb der Durchschnittsdauer ihr Studium zu absolvieren. Ansonsten verlieren sie den Anspruch auf Unterhalt gegenüber den Eltern.