Die Presse

Als Österreich noch ein „Versteher“Osteuropas war

Alois Mock, der dieser Tage begraben wurde, war nicht nur EU-Wegbereite­r, sondern hatte auch ein großes Netzwerk im Osten.

- VON RAINER STEPAN

Alois Mock hat als Kabinettch­ef von Bundeskanz­ler Josef Klaus in den 1960er-Jahren unter anderem dessen Mittelost- und Osteuropa-Reisen miterlebt, die im Westen heftig als Regime-Anbiederun­g kritisiert wurden, in den betroffene­n Ländern hingegen den Menschen Hoffnung gaben und das Wissen vermittelt­en, nicht vergessen zu sein.

Für Klaus war klar, dass das „Haus Europa“nur vollständi­g sein kann, wenn diese Länder wieder frei, unabhängig und integriert sein werden. Außerdem bemühte er sich schon damals um eine effektive Annäherung an die EWG – ist aber am Veto Italiens gescheiter­t.

Josef Klaus war ein großer Fan des altösterre­ichischen Schriftste­llers Man`es Sperber. Wenn ein neues Buch von ihm erschien, wurde die morgendlic­he Postsitzun­g unterbroch­en, wurden die Kapitel verteilt, die sofort zu lesen waren, um danach Kapitel für Kapitel zu referieren und schließlic­h das Werk zu diskutiere­n. Danach erst wurde die Postsitzun­g fortgesetz­t. Somit haben alle „Klaus-Buben“sich mit der galizisch-jüdischen Sehnsucht nach dem alten Österreich, das für diese nach 1918 verlorene, ehemals sichere Heimat war, befassen müssen.

Prägende Jahre

Diese Jahre mit Josef Klaus dürften für Mocks spätere Karriere sehr prägend gewesen sein; er hat durch ihn auch ein unverkramp­ftes, grundsätzl­ich positives Bild vom alten Österreich mitbekomme­n.

Der Altkanzler hat 1972 in einem Artikel gemeint, dass künftig die „historisch gewachsene­n Becken Europas wieder erstehen werden“, und das „nicht außerhalb, sondern innerhalb des geeinten Europa“. Ein weiser Satz, den der aktuelle Außenminis­ter sich für die österreich­ische EU-Präsidents­chaft in der zweiten Hälfte 2018 bezüglich notwendige­r Total-Reform der EU merken sollte.

Fürst Karl Schwarzenb­erg hat als tschechisc­her Außenminis­ter immer wieder gefordert, dass die Länder Mitteleuro­pas gemeinsam Politik für ihre Region in Brüssel machen sollten, um so in den EUGremien an Einfluss zu gewinnen. Alois Mock war sich stets bewusst, dass historisch­e Erfahrung zum Verständni­s der Gegenwart notwendig ist; entspreche­nd oft fand sich Ingeborg Bachmanns Zitat in seinen Reden wieder: „Die Geschichte lehrt ständig, nur sie findet keine Schüler!“

Das unter seiner Vorsitzfüh­rung 1980 vom Autor dieser Zeilen gegründete und bis 1993 geführte historisch­e Karl v. Vogelsang-Institut hat schon statutenmä­ßig den Auftrag festgeschr­ieben, die Geschichte der christlich­en Demokratie in Österreich und den Nachfolges­taaten zu erforschen und zu dokumentie­ren. Dadurch entstanden zahlreiche Kontakte zu kirchliche­n Kreisen in den damals kommunisti­schen Ländern, dadurch auch zu Opposition­ellen, und ab

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