Das Ende der 68er: Lasst die Jungen ihre Zukunft selbst gestalten
Der Erfolg junger Politiker ist nicht ihrem Aussehen, sondern dem Versagen der Vorgänger geschuldet. Die Häme der Alt-68er ist unangebracht.
Europa staunt derzeit über ein politisches Wunder: Der erst 39-jährige Emmanuel Macron hat in Frankreich die alten Parteien hinweggefegt und übernimmt mit seiner jungen Bewegung die Institutionen. Wobei „alt“und „jung“durchaus wörtlich zu verstehen ist. Es ist ein Trend, der seit einigen Jahren in Europa zu beobachten ist und nun auch Österreich erreicht zu haben scheint, mit Sebastian Kurz, der in atemberaubendem Tempo seine „alte“Partei in eine „junge“Bewegung umgestalten will.
Dabei zeigt sich ein Paradoxon: Während jene, die gemeinhin als bewahrend, ja reaktionär gelten, dieses politische Experiment mittragen, stemmen sich jene dagegen, die sich als Avantgarde wähnen. Die Feuilletons sind voll von Alarmrufen jener Alt-68er vor einer Machtübernahme durch die Jungen, die zeitlebens stolz auf die Errungenschaften der Revolution ihrer Jugend verwiesen haben. Heute sprechen die Alt-Revolutionäre das gleiche Recht für eine Umgestaltung den Jungen, die die Sache weniger ideologisch, sondern pragmatisch angehen, jedoch ab.
Da ist ätzend die Rede von den „Topmodels der Politik“, deren einziges Programm ihr „schwungvolles Erscheinungsbild“und ihre „jugendliche Physiognomie“sei. Man erhält den Eindruck, dass da ein wenig männlicher Neid mitschwingt. Es wird vor den „neuen Führern“gewarnt und – ganz nach alter Gewohnheit – flugs eine Verbindung zum Führerkult der Nationalsozialisten hergestellt. Angesichts der jungen Politiker, auf die angespielt wird, und deren politischer Heimat eine absurde Analogie.
Man fragt sich, mit welchem Recht hier eine Politikergeneration von jungen, engagierten Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft ihrer Generation mitzugestalten, vorschnell niedergemacht wird. Man sollte sich vielmehr fragen, warum sie so erfolgreich sind. Das auf rein Äußerliches zu reduzieren, ist eine grobe Unterschätzung der Bürger. Sie sind erfolgreich, weil die Generation zuvor, viele davon Alt-68er, in wichtigen Fragen versagt hat. Anstatt die Weichen für die Zukunft zu stellen, haben sie Gruppenegoismen gefördert und Besitzstände verteidigt.
Einige Beispiele: Keiner dieser Politiker ist ernsthaft eine Pensionsreform angegangen, sondern hat zugelassen, dass die Staatsschulden in schwindelerregende Höhen stiegen. Damit gefährdeten sie die Zukunft der Jungen, die diese Last nicht mehr schultern werden können. Oder der Arbeitsmarkt: Während viele Junge arbeitslos sind oder nur prekäre Jobs finden, haben die Gewerkschaften für die Festangestellten immer mehr Vorteile herausgeschunden.
Am extremsten zeigt sich dies in Südeuropa. Beispiel Klimaschutz, wo nichts weitergeht, und dessen Auswirkungen die Jungen treffen werden. Beispiel Migration, wo jahrzehntelang nur kurzfristige wirtschaftliche Vorteile gesehen und nichts unternommen wurde, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Integration zu gewährleisten. All diese Probleme wurden aus Egoismus verdrängt oder aufgeschoben und werden nun akut.
Die Jungen sind in Europa demografisch unterrepräsentiert. Dies gilt auch für deren Wähleranteil, wo die Älteren zunehmend über die Jungen entscheiden. Daher ist es gut und richtig, dass sie in den politischen Entscheidungsebenen ausreichend repräsentiert sind. Sie wollen es anders machen und haben das Recht, ihre Zukunft selbst mitzubestimmen. Das spüren offenbar die Wähler aller Altersgruppen, sonst wäre etwa ein Sieg Macrons nicht möglich gewesen.
Die jungen Politiker werden so wie ihre Vorgänger nicht alles richtig machen, es werden viele Fehler passieren, es werden nicht alle Ankündigungen umgesetzt werden (können). Dennoch ist es ihre Zukunft, die auf dem Spiel steht, und sie haben ein Recht, daran entscheidend mitzuwirken. Gerade die „Revolutionäre“der 1968er-Bewegung sollten dafür ein tiefes Verständnis aufbringen.