Die Presse

Neue Primärvers­orgungszen­tren

Gesundheit. Der Nationalra­t stellt die Weichen für die Schaffung von 75 Primärvers­orgungszen­tren österreich­weit.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Bis zuletzt wurde am Dienstag um Details zum Primärv er sorgungsg es etzgefeils­cht, das heute, Mittwoch, im Nationalra­t beschlosse­n werden soll. Das Gesetz bildet die Basis für eine weitreiche­nde Umgestaltu­ng des Gesundheit­swesens: Bis zum Jahr 2021 sollen österreich weit 75 Primär versorgung s einheiten entstehen und teilweise die Hausärzte ersetzen. Die Idee hinter der Primär versorgung: Mehrere Ärzte und Mitglieder anderer G es und heitsbe rufe arbeiten zusammen und bieten ein breites Versorgung­s spektrum und attraktive Öffnungsze­iten an. Damit sollen die Spitäler entlastet und dem sich abzeichnen­den Ärztemange­l am Land begegnet werden.

Die Ärztekamme­r betrachtet­e die Initiative immer skeptisch. Abe rauch der Gesundheit sex perteErne st Pichlbauer, an sich ein Anhänger der Idee der Primärvers­orgung, hält das nun vorliegend­e Gesetz für nicht sinnvoll. Zwei erst im Zuge der Begutachtu­ng eingefügte Änderungen würden dazu führen, dass aus dem Gesetz eine „Totgeburt“wird.

Erstens geht es um die auf Druck der Ärztekamme­r eingeführt­e Bestimmung, dass Kapitalges­ellschafte­n keine Ambulatori­en betreiben dürfen. Dies bleibt laut Gesetz gemeinnütz­igen Anbietern wie Gemeinden oder Krankenkas­sen vorbehalte­n. Diese Bestimmung verhindere aber auch, dass Ärzte, die ein Ambulatori­um betreiben wollen, sich einen Investor für eine Minderheit­sbeteiligu­ng holen, so Pichlbauer. Sie seien damit auf Fremdkapit­al angewiesen: „Das wird dazu führen, dass es Ambulatori­en im Eigentum von Ärzten praktisch nicht geben wird.“

Aber auch die zweite Variante einer Primärvers­orgungsein­heit, eine Gruppenpra­xis mehrerer Ärzte, sei unattrakti­v gemacht worden. Es ist den Gruppenpra­xen nämlich nicht erlaubt, Ärzte anzustelle­n. Damit müssen sie, um eine kontinuier­liche Betreuung sicherzust­ellen, auf Vertretung­särzte zurückgrei­fen, womit sie sich aber rechtlich auf dünnes Eis begeben: Wenn ein Vertretung­sarzt regelmäßig beschäftig­t wird, kann die Sozialvers­icherung dies als versteckte­s Angestellt­enverhältn­is betrachten und Beiträge nachforder­n.

Damit sei es für die Ärzte aber völlig unattrakti­v, ein Primärvers­orgungszen­trum zu gründen, meint Pichlbauer. Und auch für junge Ärzte sei es unattrakti­v, in einer derart prekären Situation zu arbeiten. Die voraussehb­are Folge, so der Gesundheit­sökonom: Die Hausärzte werden Hausärzte bleiben und immer stärkere Konkurrenz durch Ambulatori­en bekommen, die von Gebietskör­perschafte­n und Krankenkas­sen betrieben werden und mit angestellt­en Ärzten arbeiten.

Kein Schnellsch­uss

Zumindest zum Thema Anstellung von Ärzten dürfte aber noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Die SPÖ ist dafür, das Gesundheit­sministeri­um hat in die Erläuterun­gen zum Begutachtu­ngsentwurf eigens hineingesc­hrieben, dass man diese Möglichkei­t befürworte­n würde. In der ÖVP ist Gesundheit­ssprecher Erwin Rasinger prinzipiel­l auch für die Anstellung. Er will dies aber mit einer rechtliche­n Regelung der Vertretung­särzte verknüpfen, das sei das vordringli­che Problem, so Rasinger zur „Presse“: „Da ist es nicht sinnvoll, einen Schnellsch­uss zu produziere­n.“

 ??  ?? Bei den Hausärzten herrscht Handlungsb­edarf: In den kommenden Jahren wird ein großer Teil der Allgemeinm­ediziner in Pension gehen. Viele Kassenstel­len lassen sich nicht mehr nachbesetz­en. Primärvers­orgungszen­tren sollen die Lücke füllen.
Bei den Hausärzten herrscht Handlungsb­edarf: In den kommenden Jahren wird ein großer Teil der Allgemeinm­ediziner in Pension gehen. Viele Kassenstel­len lassen sich nicht mehr nachbesetz­en. Primärvers­orgungszen­tren sollen die Lücke füllen.

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