Sich mit Schimpansen messen?
Biologie. Unsere Verwandten stehen im Ruf, viel kräftiger zu sein als wir. Es gibt einen Unterschied, er kommt von der Komposition der Muskeln, aber sehr groß ist er nicht.
Dass Schimpansen mit ihren 450Kubikzentimetern Gehirn vieles können, was wir lange für ein Privileg unserer 1200 hielten, ist nicht nur der Unterhaltungsindustrie eingefallen – vor allem im „Planet“der Affen“–, auch die Forschung findet immer mehr Ähnlichkeiten, vom Werkzeugebrauch über Kooperation bis hin zu dem, was man lange auch nur von Menschen kannte: Sie überfallen Nachbarn und schlagen sie tot.
Dann kommen die Körperkräfte zum Einsatz, und die werden auch von Menschen gefürchtet, wieder nicht nur im „Planet der Affen“, es gibt viele Berichte, dass als Haustiere gehaltene Schimpansen ihre Halter übel zurichteten, und seit den 1920er-Jahren stehen Wunderdinge in Lehrbüchern: Sie könnten das Achtfache ihres Körpergewichts heben und seien acht Mal so stark wie ein Mensch. Das hat sich zum Mythos verfestigt, geprüft wurde es selten, vor allem blieb unklar, wo es denn herrühre.
Kandidaten für den Unterschied sind natürlich die Muskeln, und die hat Matthew O’Neill (University of Arizona) näher in Augenschein genommen. Zunächst extrahierte er drei (anästhesierten) Schimpansen Muskelfasern aus den Beinen, maß ihre Kraft und verglich sie mit Werten über Beinmuskeln von Menschen. Dabei zeigte sich kein Unterschied: „Hinsichtlich der Kraft, die einzelne Muskelfasern ausüben, haben Muskeln von Schimpansen nichts Besonderes“, erklärt O’Neill.
Zwei Muskeltypen
Woher soll sie dann kommen, die sagenhafte Kraft der Schimpansen? In der zweiten Runde hat O’Neill verstorbenen Schimpansen großflächig Muskeln entnommen und ihre Komposition analysiert: Muskel ist nicht gleich Muskel, es gibt vor allem zwei Typen, den „langsam zuckenden“(MHC I), er ist auch als „roter Muskel“bekannt und gut für Ausdauer. Und MHC II, den „weißen“oder auch „schnell zuckenden“Muskel, er zieht sich rasch zusammen und ermüdet rasch: Er stellt bei Schimpansen zwei Drittel aller Muskelfasern. Bei Menschen ist es nicht einmal ein Drittel, sie haben im Lauf ihrer Evolution einen Sonderweg eingeschlagen: Außer uns haben nur sehr lethargische Primaten – Pumploris – mehr MHC I, bei allen anderen überwiegt MHC II. Und das bringt den SchimpansenMuskeln beim raschen Zugriff tatsächlich mehr Kraft, aber so viel mehr nun auch nicht, 1,35 Mal soviel. Rechnet man die geringere Körpergröße dagegen, ist also nicht ausgemacht, wie ein Kampf zwischen Mensch und Schimpanse enden würde (Pnas 26. 6.).
Und es käme auch sehr darauf an, was das für ein Mensch ist, auch unter uns gibt es große Unterschiede: Die hageren Langstreckenläufer aus Ostafrika, wo sich der Mensch erhob und dann weit durch Savannen lief, haben viel MHC I; die massigen Sprinter aus Westafrika – und die Erben der Sklaven in den USA und der Karibik – sind mit MHC II gesegnet.