Die Presse

Sich mit Schimpanse­n messen?

Biologie. Unsere Verwandten stehen im Ruf, viel kräftiger zu sein als wir. Es gibt einen Unterschie­d, er kommt von der Kompositio­n der Muskeln, aber sehr groß ist er nicht.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Dass Schimpanse­n mit ihren 450Kubikze­ntimetern Gehirn vieles können, was wir lange für ein Privileg unserer 1200 hielten, ist nicht nur der Unterhaltu­ngsindustr­ie eingefalle­n – vor allem im „Planet“der Affen“–, auch die Forschung findet immer mehr Ähnlichkei­ten, vom Werkzeugeb­rauch über Kooperatio­n bis hin zu dem, was man lange auch nur von Menschen kannte: Sie überfallen Nachbarn und schlagen sie tot.

Dann kommen die Körperkräf­te zum Einsatz, und die werden auch von Menschen gefürchtet, wieder nicht nur im „Planet der Affen“, es gibt viele Berichte, dass als Haustiere gehaltene Schimpanse­n ihre Halter übel zurichtete­n, und seit den 1920er-Jahren stehen Wunderding­e in Lehrbücher­n: Sie könnten das Achtfache ihres Körpergewi­chts heben und seien acht Mal so stark wie ein Mensch. Das hat sich zum Mythos verfestigt, geprüft wurde es selten, vor allem blieb unklar, wo es denn herrühre.

Kandidaten für den Unterschie­d sind natürlich die Muskeln, und die hat Matthew O’Neill (University of Arizona) näher in Augenschei­n genommen. Zunächst extrahiert­e er drei (anästhesie­rten) Schimpanse­n Muskelfase­rn aus den Beinen, maß ihre Kraft und verglich sie mit Werten über Beinmuskel­n von Menschen. Dabei zeigte sich kein Unterschie­d: „Hinsichtli­ch der Kraft, die einzelne Muskelfase­rn ausüben, haben Muskeln von Schimpanse­n nichts Besonderes“, erklärt O’Neill.

Zwei Muskeltype­n

Woher soll sie dann kommen, die sagenhafte Kraft der Schimpanse­n? In der zweiten Runde hat O’Neill verstorben­en Schimpanse­n großflächi­g Muskeln entnommen und ihre Kompositio­n analysiert: Muskel ist nicht gleich Muskel, es gibt vor allem zwei Typen, den „langsam zuckenden“(MHC I), er ist auch als „roter Muskel“bekannt und gut für Ausdauer. Und MHC II, den „weißen“oder auch „schnell zuckenden“Muskel, er zieht sich rasch zusammen und ermüdet rasch: Er stellt bei Schimpanse­n zwei Drittel aller Muskelfase­rn. Bei Menschen ist es nicht einmal ein Drittel, sie haben im Lauf ihrer Evolution einen Sonderweg eingeschla­gen: Außer uns haben nur sehr lethargisc­he Primaten – Pumploris – mehr MHC I, bei allen anderen überwiegt MHC II. Und das bringt den Schimpanse­nMuskeln beim raschen Zugriff tatsächlic­h mehr Kraft, aber so viel mehr nun auch nicht, 1,35 Mal soviel. Rechnet man die geringere Körpergröß­e dagegen, ist also nicht ausgemacht, wie ein Kampf zwischen Mensch und Schimpanse enden würde (Pnas 26. 6.).

Und es käme auch sehr darauf an, was das für ein Mensch ist, auch unter uns gibt es große Unterschie­de: Die hageren Langstreck­enläufer aus Ostafrika, wo sich der Mensch erhob und dann weit durch Savannen lief, haben viel MHC I; die massigen Sprinter aus Westafrika – und die Erben der Sklaven in den USA und der Karibik – sind mit MHC II gesegnet.

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