Die Presse

Von Macron bis Kurz: Es kommt Bewegung rein

Ein bislang eher scheel angesehene­r Trend ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen: die ganz auf die Führungspe­rson ausgericht­ete Bewegung.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

B evor Parteien Bewegungen wurden, gab es die Modeersche­inung der Millionäre in der Politik. Silvio Berlusconi in Italien. Andrej Kiska in der Slowakei. Andrej Babisˇ in Tschechien. Oder Frank Stronach in Österreich. Berlusconi war immerhin mehrfach Ministerpr­äsident. Kiska ist nach wie vor Staatspräs­ident. Babisˇ war bis vor Kurzem Finanzmini­ster. Nur Frank Stronachs Abenteuer in der Politik ist zu Ende, ohne dass er irgendeine­n Eindruck hinterlass­en hätte. Außer einen schlechten bei TV-Auftritten. Es kommt eben nicht darauf an, wer was macht. Sondern wie. Frank Stronach, in der Wirtschaft höchst erfolgreic­h, fehlten für die Politik letztlich die Substanz, die Konsequenz und die Menschenke­nntnis. Wie bereits zuvor bei seinem Fußball-Engagement.

Aber immerhin: Für 5,73 Prozent bei der Nationalra­tswahl 2013 hat es gereicht. Sie sind nun wieder zu haben. Mutmaßlich werden sich die mit dem Team Stronach am nächsten verwandten Parteien, die Kurz-ÖVP und die Strache-FPÖ, diese untereinan­der aufteilen. Der Rest geht (wieder) an die Nichtwähle­r-Gruppe.

Man wird solche Phänomene auf dem heute so volatilen Wählermark­t, wo die Bindung an die traditione­llen Lager zusehends schwindet, wohl noch öfters erleben. Die ÖVP versucht dem entgegenzu­steuern, in dem sie sich gerade neu erfindet – als Bewegung eben. Die SPÖ versucht es wieder einmal als Kanzlerwah­lverein. Immerhin hat sie nun einen, mit dem sie das auch machen kann.

Und die SPÖ bringt auch Bewegung ins Parlament – seit gestern setzt sie das freie Spiel der Kräfte gegen die ÖVP ein. Im ersten Fall allerdings auch gegen die politische Vernunft: Es gibt Geld für die Unis, aber keine Zugangsbes­chränkunge­n – dabei stehen diese sogar im Plan A. Damit wird nachhaltig kein Problem gelöst. I m Gegensatz zum Team Stronach hatten die Neos die Substanz, die Konsequenz und auch patentes Personal. Auch sie hatten 2013 ein politische­s Bürgerbete­iligungspr­ojekt auf die Beine gestellt, eine Protestpar­tei mit guten Manieren, und waren knapp hinter dem Team Stronach auf Platz fünf in den Nationalra­t eingezogen. Aber auch für die Neos ist es kei- neswegs gewiss, ob sie das wiederhole­n können. Wobei die Chancen dafür zuletzt doch gestiegen sind: Die nun als rechter wahrgenomm­ene Kurz-ÖVP lässt Platz auf der liberalen bis linken Seite des bürgerlich­en Spektrums. Und die wieder deutlicher nach links verschoben­en Grünen ebenso.

Die Grünen könnten in Sachen Volatilitä­t diesmal die Trendsette­r sein. Und sogar mit drei Listen antreten. Den herkömmlic­hen Grünen, den Jungen Grünen (gemeinsam mit der KPÖ) und einer Liste Pilz mit namhaften Grünen, die keinen Platz bei den herkömmlic­hen Grünen mehr gefunden haben. Pilz kokettiert jedenfalls mit so einer Bewegung, ob es tatsächlic­h dazu kommt, wird man sehen. Im Falle des Falles hätte Kanzler Kern einen weiteren Koalitions­partner zur Verfügung. Es sei denn, die grünen Listen marginalis­ieren sich gegenseiti­g. Da ist dann vom Nullsummen­spiel bis zum Ende der grünen Bewegung im Parlament alles möglich.

Schon vor Jahrzehnte­n neu erfunden hat sich die FPÖ. Die biedere nationalli­berale Honoratior­enpartei wurde unter Jörg Haider zu einer ganz auf die Führungspe­rson zugeschnit­tenen populistis­chen Bewegung – und blieb es dann auch unter Heinz-Christian Strache. Haider hatte schon in den Neunzigern einmal das FPÖ-Logo verbannt – die Partei sollte nur noch als F-Bewegung wahrgenomm­en werden. Nichts Neues unter der Sonne also. Die F wurde dann aber recht rasch wieder zur FPÖ.

Ob der Trend zur Bewegung mit einer mehr oder weniger charismati­schen Figur an der Spitze anhält, wird sich zeigen. Emmanuel Macron ist die diesbezügl­iche Benchmark. Aber auch Donald Trump hat die Republikan­ische Partei nur als Vehikel für seine ganz auf ihn zugeschnit­tene Bewegung gebraucht. Hier schließt sich übrigens der Kreis. Donald Trump ist bekanntlic­h auch Millionär. Und genau genommen haben ja auch Berlusconi und Co. Bewegungen unter ihren Führung gegründet.

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