Die Presse

In Kindergärt­en zum Gebet gezwungen: Schärfere Kontrollen

Kurswechse­l. Die MA11 wird um sieben Mitarbeite­r aufgestock­t, mit dem Verfassung­sschutz enger zusammenge­arbeitet.

- VON EVA WINROITHER

Wien. Es ist Wahlkampf und plötzlich geht ganz viel, ganz schnell. Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) gab am Mittwoch bekannt, dass die Kontrollen in Kindergärt­en der Stadt Wien verstärkt werden – es gibt mehr Mitarbeite­r und eine engere Zusammenar­beit mit dem Verfassung­schutz. Kindergärt­en, die neu eröffnen wollen, müssen in Zukunft ihr pädagogisc­hes Konzept vor einem Gremium präsentier­en – und erstmals braucht es für eine Neueröffnu­ng einen Businesspl­an.

Bei der Präsentati­on des neuen Konzepts betonte Czernohors­zky erneut, dass die Stadt das Probleme mit Kindergärt­en nicht ignorieren wolle: „Jeder problemati­sche Kindergart­en ist einer zu viel. Platz für schwarze Schafe gibt es nicht.“Für die Neuerungen sind zum Teil auch Änderungen des Kindergart­engesetzes notwendig, die im Herbst beschlosse­n werden sollen.

Im Detail werden drei Punkte angegangen.

Kontrollen. Die beiden Kontrollbe­hörden MA10 (zuständig für Förderunge­n) und MA11 (Vor-OrtKontrol­le, Einhaltung des Bildungspl­ans) werden in Zukunft stärker zusammenar­beiten. Das heißt, fällt dem einen Kontrollor­gan etwas auf, prüft auch das andere vertiefend. Denn gebe es wirtschaft­liche Probleme, wirke sich das meist auch auf die Pädagogik aus und umgekehrt, erklärte Czernohors­zky. Um mehr vor Ort kontrollie­ren zu können, wird das Personal der MA11 um weitere sieben Personen auf insgesamt 20 aufgestock­t. Der MA10 stehen 19 Personen zur Verfügung. Bei Bedarf werden Experten aus der MA17 (Integratio­n) zu den Kontrollen hinzugezog­en.

In den Jahren 2016/2017 wurden laut Czernohors­zky 31 Einrichtun­gen die Bewilligun­g für den Betrieb eines Kindergart­ens entzogen bzw. die Fördervere­inbarung beendet. Die Gründe reichten von „unzureiche­nden baulichen Gegebenhei­ten über wirtschaft­liche Probleme bis hin zu pädagogisc­hen Mängeln“, so der Stadtrat. In der Regel spiele alles zusammen. Keine Auskunft konnte die Stadt auch nach mehrmalige­m Nachfragen geben, wie viele der geschlosse­nen Kindergärt­en muslimisch gewesen seien, „da es für islamische Kindergärt­en noch keine Definition gibt“, so die stellvertr­etende Abteilungs­leiterin der MA11 Michaela Kejcir. Es sei „kein Kindergart­en geschlosse­n worden, weil er islamisch radikalisi­ert hätte“. Auch wegen Koranunter­richts sei keiner geschlosse­n worden.

Unabhängig davon sei der Islam bei Kontrollen sehr wohl ein Thema gewesen. Kejcir: „Wir haben immer wieder festgestel­lt, dass die Religonser­ziehung nicht altersadäq­uat erfolgte, dass ein strafender Gott vermittelt wird, dass es keine freiwillig­e Teilnahme an Gebeten gibt und die Kinder gezwungen werden. Alle diese Dinge hat es mehr oder weniger stärker ausgeprägt schon gegeben. Aber letztendli­ch haben wir durch unser Einschreit­en verhindert, dass das in Zukunft weiter stattfinde­t. Deswegen war das bei keiner einzigen Schließung der Grund.“

Neu ist eine verstärkte Zusammenar­beit mit dem Verfassung­schutz. Während bisher Betreiber nur wegen Verurteilu­ngen geprüft werden, will die Stadt nun auch wegen laufender Verfahren, Ermittlung­en und sonstiger Dinge, die das Kindeswohl gefährden könnten, informiert werden. Auch dafür bedarf es einer Gesetzesän­derung.

Im Jahr 2011 führte die MA11 insgesamt 3153 Kontrollen durch. Diese werden in Kindergärt­en nicht angekündig­t, in Kindergrup­pen nach wie vor. Aus EffizienzG­ründen, argumentie­rt man in der MA11, da gerade Kindergrup­pen nicht immer vor Ort anzutreffe­n sind. Unangekünd­igte Kontrollen gibt es dort nur, wenn jemand (etwa Eltern) einen Vorfall meldet.

Bewilligun­gen. Reformiert werden auch die gesetzlich­en Grundlagen für die Bewilligun­g eines Kindergart­ens. In Zukunft muss ein neuer Betreiber neben einem pädagogisc­hen Konzept auch einen Businesspl­an vorlegen, der eine Marktanaly­se mit Prognosen zur Auslastung enthält. Erstmals muss der Antragstel­ler sein Konzept persönlich einem Gremium vorstellen. Auch das pädagogisc­he Konzept muss in Zukunft Eltern gegenüber zur Verfügung gestellt werden.

Neu ist auch die eine verstärkte Verantwort­ung der Kindergart­enleitung. Diese muss 100 zusätzlich­e Ausbildung­sstunden absolviere­n, etwa in den Bereichen Konflikt- und Personalma­nagement und rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen. Auch mit den Eltern müssen die Leiter mehr zusammenar­beiten.

Förderunge­n. An einer Reform des Fördersyst­ems wird derzeit gearbeitet, diese soll gegen Ende 2017 fertig sein. Davor, im heuri- gen Herbst, soll auch die Studie über islamische­r Kindergärt­en in Wien vorliegen. Danach soll unter anderem klar sein, wann ein Kindergart­en als muslimisch zu definieren sei, und wie viele davon es in Wien überhaupt gibt.

Dass die Bekanntgab­e des Plans ausgerechn­et jetzt erfolgt, ist wohl kein Zufall. Zuletzt gab es einen Schlagabta­usch zwischen Außenminis­ter und ÖVP-Spitzenkan­didat Sebastian Kurz (ÖVP) und der Stadt Wien. Kurz forderte eine Schließung aller islamische­r Kindergärt­en, dem konnte Religionsp­ädagoge Ednan Aslan (der im Auftrag von Kurz vor eineinhalb Jahren eine umstritten­e Vorstudie zu Kindergärt­en veröffentl­ichte) nichts abgewinnen. Czernohors­zky konterte: Man solle Probleme lösen und nicht erfinden. Wenn es den Verdacht von Verstößen gebe, werde man prüfen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? In Wiens Kindergärt­en soll künftig öfter kontrollie­rt werden.
[ Clemens Fabry ] In Wiens Kindergärt­en soll künftig öfter kontrollie­rt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria