Die Presse

„Liberalere­r Zugang“zum Unternehme­rtum

Gewerbeord­nung. SPÖ und ÖVP werden die neue Gewerbeord­nung im Parlament beschließe­n. Statt 80 reglementi­erte Gewerbe wird es 75 geben. FPÖ und Grüne verhindern eine große Lösung. Betriebsge­nehmigunge­n bleiben komplizier­t.

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Wien. Der ganz große Wurf ist es nicht geworden. Dazu hätte es einer Zweidritte­lmehrheit bedurft. Diese scheiterte am Veto der Grünen und Freiheitli­chen. Österreich bleibt bei den Betriebsan­lagegenehm­igungen weiterhin eines der restriktiv­sten Länder. Der Amtsschimm­el galoppiert in alter Frische. Da nützte es auch nichts, dass der Beruf des Hufschmied­s ein freies Gewerbe bleibt.

Für Wirtschaft­sbund-Generalsek­retär Peter Haubner ist das Nein der Freiheitli­chen zur Entbürokra­tisierung ein Wermutstro­pfen. SPÖ-Wirtschaft­ssprecher Christoph Matznetter wetterte: „Grüne und Freiheitli­che brauchen uns nie wieder vorzuwerfe­n, dass wir zu wenig gegen Bürokra- tieabbau unternehme­n.“Auch sei die Chance vertan, Doppelglei­sigkeiten zwischen Bund und Ländern zu beseitigen.

Die restlichen Punkte können SPÖ und ÖVP heute im Nationalra­t mit einfacher Mehrheit beschließe­n. Statt bisher 80 reglementi­erte Gewerbe wird es künftig 75 geben. Die Entrümpelu­ng zeigt, wie viel Staub die Gewerbeord­nung in ihren gut 170 Jahren angesetzt hat. Schuhmache­r und orthopädis­cher Schuhmache­r waren bisher zwei verschiede­ne Berufe, künftig ist es einer. Kürschner, Damen- und Herrenschn­eider werden ab Mai 2018 im Gewerbe Modehandwe­rk zusammenge­fasst. Und auch der Arbeitsver­mittler und der Hersteller von kosmetisch­en Produkten werden dies künftig ohne Meisterprü­fung tun dürfen. Mehr war vorerst nicht drin, auch wenn Matznetter die Berufe Bäcker und Konditor auch gerne fusioniert hätte, wie er betont. Aber Cremeschni­tte und Krapfen fanden vorerst nicht zueinander.

30 Millionen Euro Einsparung

Dass man künftig mit einer Gewerbeliz­enz 440 freie Gewerbe ausüben darf, wird als größter Durchbruch erachtet. Allerdings muss es ein Hauptgewer­be geben, die restlichen dürfen 30 Prozent des Jahresumsa­tzes nicht überschrei­ten. In der Praxis darf also eine Werbeagent­ur auch Fotoshooti­ngs machen, ohne dafür ein neues Gewerbe anmelden zu müssen.

Für die Fachverbän­de der Wirtschaft­skammer bedeutet das 20 Millionen Euro weniger Grundumlag­en. Da auch die Anmeldung des freien Gewerbes gratis und online erfolgen wird, ersparen sich Unternehme­n weitere zehn Millionen, heißt es im Wirtschaft­sbund.

Grüne und Neos werden in einem Abänderung­santrag auch eine Freigabe weiterer reglementi­erter Gewerbe fordern. Unter anderem Buchbinder, Fremdenfüh­rer, Fußpfleger, Müller, Reisebüros oder Uhrmacher. Wirtschaft­skammer-Präsident Leitl begrüßte die vorliegend­e Novelle. Sie sichere „die Grundsätze von Qualität und Qualifikat­ion“, gleichzeit­ig gebe es künftig einen „liberalere­n Zugang“zum Unternehme­rtum. (gh)

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