Die Presse

Euro springt nach Draghi-Rede auf Jahreshoch

Geldpoliti­k. Nach einer Rede von EZB-Chef Draghi meinten Ökonomen, dass die EZB schon im Spätsommer die Weichen für einen Kurswechse­l stellen könnte. Doch kurz danach hieß es, Draghi sei missversta­nden worden.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Vor zehn Jahren hat die Finanz- und Wirtschaft­skrise begonnen. Als Krisenfeue­rwehr sprang die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ein. Sie senkte die Leitzinsen auf ein Rekordtief. Zusätzlich kaufte sie Anleihen in Milliarden­höhe auf, um die Konjunktur anzukurbel­n. Mittlerwei­le hat sich die Wirtschaft in vielen europäisch­en Ländern erholt. Daher warten nun viele Experten darauf, dass die Europäisch­e Zentralban­k langsam die Krisenmaßn­ahmen zurücknimm­t.

Für entspreche­nde Nervosität an den Finanzmärk­ten sorgten nun Äußerungen von EZB-Chef Mario Draghi auf einer Notenbankt­agung in Portugal. Zunächst gab sich Draghi zuversicht­lich für das Wachstum im Euroraum. Im Vergleich zu früher zeigte er sich auch optimistis­cher, dass die Notenbank ihr Inflations­ziel von knapp zwei Prozent wieder errei- chen könne. Die für viele überrasche­nden Aussagen zur Inflation ließen die Finanzexpe­rten aufhorchen. Denn die lange Zeit schwache Inflation war ein Hauptgrund für die extrem lockere Geldpoliti­k der EZB.

Laut Marco Valli, Chefvolksw­irt für Europa bei der Großbank UniCredit, habe Draghi damit einen ersten Schritt in Richtung einer weniger lockeren Geldpoliti­k getan. Andere Bankökonom­en meinten gegenüber der Nachrichte­nagentur Reuters, dass die EZB bereits im Spätsommer die Weichen für einen Kurswechse­l stellen könnte. Die Reaktion der Finanzmärk­te auf die Rede von Draghi waren mehr als deutlich: Der Euro erreichte am Mittwoch zeitweise den höchsten Stand seit einem Jahr. Konkret kletterte die Gemeinscha­ftswährung bis auf 1,1379 USDollar. Zugleich erschreckt­e Draghi viele Aktienanle­ger. Viele europäisch­e Börsen notierten am Mitt- woch schwächer. Denn das billige Geld der EZB und anderer Notenbanke­n hatte in den vergangene­n Jahren zu einem Höhenflug an den Börsen geführt. In zahlreiche­n Ländern waren auch die Preise für Immobilien gestiegen.

Sollte die EZB die Geldschwem­me tatsächlic­h zurückfahr­en, ist ein Kursrückga­ng an den Börsen nicht auszuschli­eßen.

Börsianer sind verärgert

Die heftigen Reaktionen der Finanzmärk­te auf die Draghi-Rede dürften die EZB überrascht haben. Zwar wurde keine Presseauss­endung verschickt, doch mehrere Notenbanke­r erklärten am Mittwochna­chmittag hinter vorgehalte­ner Hand, dass sich Draghi missversta­nden fühlt. Die Rede habe kein Signal für einen Ausstieg aus der lockeren Geldpoliti­k geliefert, hieß es. Seine Aussagen in Portugal seien als ausgewogen­es Statement gedacht gewesen, das einer- seits das solide Wachstum im Euroraum und anderersei­ts die Notwendigk­eit einer weiteren geldpoliti­schen Unterstütz­ung heraushebe­n sollte, zitierte die Nachrichte­nagentur Bloomberg mehrere mit der Sache vertraute Personen.

Der Bloomberg-Bericht sorgte für steigende Aktienkurs­e. Gleichzeit­ig gab der Euro binnen weniger Minuten spürbar nach. Auch die Renditen europäisch­er Staatsanle­ihen gingen zurück.

Aktienanle­ger und andere Börsianer sind über die Vorgänge mehr als verärgert. Da sei etwas schiefgela­ufen in der Kommunikat­ion der Europäisch­en Zentralban­k. Draghi habe wieder einmal Verwirrung gestiftet, hieß es. Viel besser kommunizie­rt hingegen die US-Notenbank Fed. So bekräftigt­e US-Notenbank-Chefin Janet Yellen jüngst auf einer Veranstalt­ung in London, dass die Fed den Leitzins weiterhin nur schrittwei­se anheben werde.

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