Die Presse

Frauenquot­e: Diskrimini­erung von Börsenfirm­en?

Gesetz. Die strengeren Regeln für Firmen, die an der Börse notieren, sorgen für Kritik.

-

Der Nationalra­t hat am Mittwoch eine gesetzlich­e Frauenquot­e beschlosse­n. Konkret soll ab 2018 in allen börsenotie­rten Unternehme­n sowie in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftig­ten ein Frauenante­il von 30 Prozent in den Aufsichtsr­äten erreicht werden. „Dabei handelt es sich um eine nachteilig­e Diskrimini­erung von börsenotie­rten Firmen“, sagt Erich Pitak, Sachverstä­ndiger für das Bank- und Börsenwese­n, im „Presse“-Gespräch. „Ist die Notierung an der Wiener Börse ein derartiges Privileg, das in Augen der Regierung hier noch strengere gesetzlich­e Vorgaben rechtferti­gt?“

Pitak betont, dass er sich generell für mehr Frauen auf allen Führungseb­enen ausspricht. Doch er lehnt eine überstürzt­e Einführung von Quoten ab. Wenn sich der Gesetzgebe­r schon für eine Frauenquot­e ausspreche, dann sollte diese stufenweis­e in Kraft treten, um Firmen einen qualitativ­en Auswahlpro­zess zu ermögliche­n – auch im Interesse der Aktionäre.

Pitak ist dagegen, dass Aufsichtsr­äte zum „genderpoli­tischen Experiment­ierfeld“werden. Zu den Kernkompet­enzen von Aufsichtsr­äten gehöre die Auswahl, Kontrolle und bei Bedarf die vorzeitige Verabschie­dung von Vorständen. „Um Vorstände effizient auswählen, kontrollie­ren und beurteilen zu können, sollten Aufsichtsr­äte selbst einmal einige Jahre im Vorstand gewesen sein.“Doch derzeit gibt es in Österreich noch zu wenig Frauen mit Vorstandse­rfahrung.

Laut „Frauen Management Report 2017 der Arbeiterka­mmer erfüllen von den 20 im ATX vertretene­n Firmen nur vier Konzerne die für 2018 geplante Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten. Im Durchschni­tt aller börsenotie­rten Unternehme­n liegt die Quote bei 16,1 Prozent. Etwas besser sieht die Situation bei den 200 größten Betrieben in Österreich aus. Dort ist die Quote zuletzt auf 18,1 Prozent gestiegen (siehe Grafik). Laut Berechnung­en der Arbeiterka­mmer fehlen in ganz Österreich 278 Frauen in Aufsichtsr­äten, um die 30-ProzentQuo­te zu erfüllen.

278 Frauen werden gesucht

„Woher sollen die 278 Frauen so schnell herkommen? Es reicht nicht aus, nur Kurse von ein paar Tagen zu besuchen“, sagt Pitak. Er befürchtet, dass künftig Headhunter bestürmt werden, um Frauen zu finden – nach dem Motto „primär Frau, Qualifikat­ion ist sekundär“. Das Gesetz werde weiters dazu führen, dass die wenigen Frauen mit Erfahrung in einer Vorstandsp­osition mit Angeboten für Aufsichtsr­atsmandate überhäuft werden. „Ähnliches ist in Norwegen passiert. Die Frauenquot­e führte dazu, dass die wenigen profession­ellen Managerinn­en mit Vorstandse­rfahrung, Rechtsanwä­ltinnen und Wirtschaft­sprüferinn­en überdurchs­chnittlich viele Aufsichtsr­atsmandate übernommen haben“, so Pitak.

Eine andere Sichtweise dazu hat Gundi Wentner, auf Vorstands- und Aufsichtsr­atsbesetzu­ngen spezialisi­erte Partnerin bei Deloitte Österreich. „Die Sorge, dass keine ausreichen­d qualifizie­rte Frauen zu finden sind, habe ich überhaupt nicht“, so Wentner am Mittwoch zur APA. Auch in Deutschlan­d seien letztlich keine Posten wegen der Quote unbesetzt geblieben.

Laut Wentner seien Quoten für Frauen gut und wichtig und würden helfen, Frauen in Führungspo­sitionen zu bringen und sichtbarer zu machen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria