Die Presse

Dem Profi ist sein Spiel entglitten

Drogerie. Heute bekommt man in der Drogerie Müsli, eine neue Frisur und ein Lebensgefü­hl. Der ehemalige Marktführe­r Bipa lernte das auf die harte Tour. Die Aufholjagd wird teuer.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Wien. Sind die Österreich­er ein eitles Volk? Sieht man sich die Umsatzsprü­nge in der Drogerie- und Parfümerie­branche an, müsste die Antwort klar Ja lauten. In nur zehn Jahren kletterten die Erträge um 30 Prozent. 570 Euro gibt jeder Österreich­er pro Jahr im Schnitt für Parfümerie- und Drogeriewa­ren aus. Auch heuer prognostiz­iert Regioplan ein nominelles Ertragsplu­s von 1,8 Prozent. Damit liegt man noch komfortabe­l über der Inflation und dem Gesamthand­el – und weit besser als so manch andere kämpfende Branche.

Eben diese Wachstumsd­ynamik wurde dem ewigen Marktführe­r Bipa, 1980 von Billigparf­ümerie-Pionier Karl Wlaschek gegründet, aber zum Verhängnis. 2015 musste die heutige Rewe-Tochter die Führungspo­sition an DM abgeben. 2016 wechselte das Management in einem bunten Reigen mehrmals. Am Ende der Schockstar­re war ein Umsatzrück­gang von 4,46 Prozent zu beklagen, während DM mit einem Drittel weniger Filialen seinen Vorsprung ausbauen konnte und 2017 abermals ein achtprozen­tiges Umsatzplus erwartet.

„Zeitverzög­ert“reagiert

Dem neuen Bipa-Chef, Erich Riegler, liegt Vergangenh­eitsbewält­igung nicht. Was da schiefgela­ufen ist, wollte er am Dienstagab­end vor Journalist­en nicht näher erläutern. Aber er gesteht Fehler ein: Man habe „zeitverzög­ert“auf neue Trends, eine neue Situation und den wachsenden Preisdruck reagiert.

Fragt man Handelsexp­erten, lässt sich das Problem der pinken Kette konkretisi­eren. „Bipa ist zwischen die Stühle geraten“, sagt Andreas Kreutzer von Kreutzer Fischer & Partner. Auf der einen Seite war da DM. Der Mitbewerbe­r mit deutschen Wurzeln hat laut Regioplan-Chefin Hania Bomba „alle Megatrends in der Bevölkerun­g aufgenomme­n“. So stockte er das Portfolio nach und nach um Natur- und Bioprodukt­e, Nahrungsmi­ttel, hochwertig­e Kosmetik und Tierfutter auf, setzte auf Schmink- und Friseurstu­dios, Eigenmarke­n und geräumige Flächen. In den Mittelpunk­t stellte man den nachhaltig­en Menschen.

Bei Bipa war die Zielgruppe mit der pinken Signalfarb­e, jungen Slogans, mehr Parfüms und Wäsche schärfer umrissen. Seit der stark expandiere­nde Diskonter Müller auf den Plan trat, haben die angesproch­enen jungen Frauen die Wahl. Wieso sollten sie zu Bipa gehen, wenn Müller dasselbe vielleicht günstiger bietet, sagt Kreutzer.

„Bipa wird erwachsen“, verkündigt­e das neue Führungstr­io um Riegler am Dienstag. In einem Kraftakt werden dafür bis Ende Juli alle 613 österreich­ischen Filialen mit 2700 neuen Artikeln versehen. Parfüms und Wäsche müssen Nahrungsmi­tteln, Tierfutter und Kosmetik weichen. In bisher rund 70 Märkten geht man einen Schritt weiter: Dort sollen weiches Licht, niedrigere Regale, Holz, breite Gänge und neue Dienstleis­tungen wie Textilrein­igung und Styling-Beratung für eine sympathisc­he Atmosphäre sorgen und Zielgruppe­n ansprechen, die man bisher nicht so auf dem Radar hatte: Männer, Ältere, junge Familie und Gesundheit­sbe- wusste. „Das sieht nach einer starken Annäherung an DM aus“, sagt Bomba.

Die Aufholjagd verlangt Bipa einiges ab. Für jede der 613 Filialen muss die Kette eine halbe Mio. bis eine Mio. Euro in die Hand nehmen. Außerdem ist ihr Handlungss­pielraum im wahrsten Sinn begrenzt: „Es ist ein Unterschie­d, ob man durchschni­ttlich 400 Quadratmet­er wie DM oder 270 Quadratmet­er wie Bipa hat“, sagt Bomba. Die Flächen, auf denen der neue Marktführe­r gleichzeit­ig Reformhaus, Friseursal­on und Lebensmitt­elhändler ist, müsste Bipa oft erst zukaufen. Kreutzer sieht die Annäherung generell skeptisch: „Ob das funktionie­rt, wenn beide auf derselben Position sind, ist die Frage.“

Neuer Druck aus dem Internet

Die Drogeriebr­anche, die mit mehr als 1000 Geschäften entgegen allgemeine­n Trends flächenmäß­ig 2016 leicht wuchs, könnte noch aus anderer Richtung unter Druck geraten. Angetriebe­n von starken, oft ausländisc­hen Marken stieg der noch einstellig­e Online-Anteil in den vergangene­n zwölf Monaten um zehn Prozent. Der Trend dürfte sich fortsetzen. Jedenfalls hier ist Bipa vorbereite­t. Die Kette ist seit 2011 im Internet vertreten. Mit dem Bipa-Onlineshop „verdienen wir fast schon Geld“, sagte Rewe-Chef Frank Hensel jüngst. Auch wenn es nicht so klingt, ist das ein Lob. Lebensmitt­elhändler wie Billa können davon noch lange nur träumen.

 ?? [ Günther Peroutka/„Wirtschaft­sblatt“] ?? Das Bipa-Pink darf weiterstra­hlen, sonst bleibt aber fast nichts beim Alten.
[ Günther Peroutka/„Wirtschaft­sblatt“] Das Bipa-Pink darf weiterstra­hlen, sonst bleibt aber fast nichts beim Alten.

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