Die Presse

Strafe für Piraterie von Fachjourna­len

Wissenscha­ftspublizi­stik. Ein Gericht in New York verurteilt­e die Plattform Sci-Hub zu 15 Millionen Dollar Schadeners­atz. Folgen für Betreiber und User hat das eher nicht.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

200.000 Mal am Tag wird der Onlinedien­st von Sci-Hub in Anspruch genommen, das ist eine Plattform, auf der über 28 Mio. wissenscha­ftliche Publikatio­nen bereitlieg­en. Die gibt es gratis und illegal: Für gewöhnlich muss bezahlen, wer Zugang zu Fachjourna­len haben will, oft ist es auch dann noch umständlic­h. Aber auf SciHub ist dem Vernehmen nach alles ganz einfach, nur die Herkunft der Artikel ist dunkel: Viele werden der Plattform von Hackern zugespielt, andere von den Forschern selbst, die mit den Mächtigen des Wissenscha­ftspublika­tionsmarkt­s hadern.

Auf dem Markt werden traumhafte Profite erzielt: Der größte Verlag, Elsevier – er gibt 2500 Journale heraus, darunter so zentrale wie Cell – hat laut „Financial Times“2010 einen Gewinn von 1,16 Mrd. Dollar ausgewiese­n, über ein Drittel des Umsatzes.

Das Geld kommt natürlich von den Lesern, und wer als Privatmann etwas abonnieren will, kann das zu einem moderaten Preis tun. Schwierige­r wird es für die Universitä­ten bzw. ihre Bibliothek­en, der Preis orientiert sich an der Zahl der Leser bzw. Studenten – und oft kann man irgendein wichtiges Journal nicht einfach so ordern, sondern nur im Paket mit anderen, die man überhaupt nicht braucht.

Attacke auf Attacke

Das hat auch reiche Unis schon zu Verzichten gezwungen, im Extrem haben sie Publikatio­nen, die ihre eigenen Forscher mit Steuergeld erarbeitet haben, nicht zur Verfügung. Das weckt schon lange Unmut, 2003 kam die erste Attacke: Forscher brachten mit PLoS das erste Journal heraus, das freien Zugang hat (dafür bezahlen die Forscher für ihre Publikatio­nen), inzwischen gibt es viel „open access“.

2011 kam die zweite Attacke: 3307 Forscher riefen zu einem Boykott von Elsevier auf, wegen „exorbitant hoher Preise“. Es war ein Nadelstich. – Zur gleichen Zeit wuchs eine größere Gefahr: 2011 gründete Alexandra Elbakayan, eine kasachisch­e Computersp­ezialistin, die Piratenpla­ttform SciHub, sie erfreute sich rasch größter Beliebthei­t, weltweit wurde und wird millionenf­ach zugegriffe­n, nicht nur in Armenhäuse­rn, auch aus Wien bedient man sich gerne (den Überblick hat nur Elbakayan, sie teilte ihn 2016 mit Science (352, S. 508).

Dagegen zog Elsevier vor Gericht, mehrfach, man ließ die Domain sperren, Elbakayan wich auf andere Namen aus. Dieses Frühjahr klagte man in New York auf 15 Mio. Dollar Schadeners­atz. Den sprach der Richter der Firma nun zu: Sci-Hub betreibt Diebstahl.

Die Summe wird schwer eintreibba­r sein: Wo Elbakayan lebt, weiß nur sie, bei ihren Servern herrscht mehr Klarheit: Sie stehen irgendwo in Russland. „Sci-Hub ist offenkundi­g illegal“, urteilt der Biologe Stephen Curry (Naturenews 22. 6.): „Aber die Tatsache, dass es so immens populär ist, ist ein Symptom dafür, dass viele Menschen frustriert sind über den Status quo des akademisch­en Publiziere­ns.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria