Das Ende der deutschen Milde
G-20-Gipfel Hamburg. Kanzlerin Merkel greift US-Präsident Trump unüblich scharf an, die Regierung verbietet erstmals Auftritte des türkischen Präsidenten Erdo˘gan vor Deutschtürken: Schatten über dem baldigen Gipfel.
Berlin. Am Ende ihrer halbstündigen Regierungserklärung hat Angela Merkel eine keineswegs gewagte Prognose zum bevorstehenden G20-Gipfel in Hamburg gewagt: „Ich sage schwierige Gespräche voraus.“
Das hat zuallererst mit einem Mann zu tun, der im weißen Senatshaus am Feenteich logieren wird und bei Klimapolitik und Freihandel ausschert: US-Präsident Donald Trump. Zu den schwierigeren Gästen zählt auch der Türke Recep Tayyip Erdogan.˘ Am Mittwoch erreichte Berlin eine Anfrage aus Ankara, wonach der Präsident am Rand des G20-Gipfels „vor Landsleuten“sprechen wolle, so wie er es während eines Besuchs 2015 in Karlsruhe getan hatte. Doch nun blitzte er ab: Ein solcher Auftritt sei unmöglich, sagte Außenminister Sigmar Gabriel. Das würde er der Türkei in einer Verbalnote mitteilen. Eine Rede Erdogans˘ in Deutschland passe nicht in die „politische Landschaft“.
Der Vorstoß war mit der Kanzlerin abgestimmt. Gabriel ging noch einen Schritt wei- ter und forderte ein generelles Verbot von Auftritten fremder wahlkämpfender Politiker drei Monate vor einer Wahl.
Während des Wahlkampfs um das türkische Verfassungsreferendum im April waren Außenminister und Kanzlerin grundsätzlich nicht gegen Auftritte türkischer Politiker in Deutschland, wiewohl einzelne Gemeinden aus vorgeschobenen Gründen so etwas verhindert hatten. Doch inzwischen hat Erdogan˘ den Abzug der Bundeswehr aus der türkischen Nato-Basis Incirlik¸ praktisch erzwungen und der deutsche Wahlkampf an Fahrt gewonnen. Laut Umfrage rümpfen die Deutschen schon lange die Nase über den milden Kurs gegenüber der Türkei, wobei sich Berlin nicht einmal von Nazi-Gleichsetzungen Erdogans˘ provozieren lassen wollte.
Der angeschlagene SPD-Chef Martin Schulz versuchte das gestern zu nutzen: „Ausländische Politiker, die unsere Werte zu Hause mit Füßen treten, dürfen in Deutschland keine Bühne für Hetzreden haben.“Schulz hat eine Gemeinsamkeit mit Donald Trump: Wenn es sich vermeiden lässt, nennt Merkel weder den SPD-Mann noch den US- Präsidenten beim Namen. Daher fiel in Merkels Regierungserklärung zum G20-Gipfel am 7. und 8. Juli nie der Name Trump. Es war ohnehin klar, wen die angriffslustige Kanzlerin im Visier hatte. „Wer glaubt, die Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, unterliegt einem gewaltigen Irrtum“, so Merkel. Oder: „Wir werden nicht darauf warten, bis auch der letzte auf der Welt von den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Klimawandels überzeugt werden konnte.“
„Der Dissens ist offenkundig“
Das Zerwürfnis mit den USA wirft Schatten über das G20-Treffen. „Der Dissens ist offenkundig“, sagte die derzeit zur Führerin der freien Welt stilisierte Kanzlerin, „und ich werde ihn nicht übertünchen“. Wenig später, beim Empfang der europäischen Staats- und Regierungschefs der G20, klang das schon etwas anders: „Wir stehen zu Paris, aber arbeiten auch daraufhin, dass wir gemeinsame Lösungen finden.“Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ergänzte: „Es führt zu nichts, wenn wir einen Staat isolieren.“