Die Presse

Zagreb will Urteil nicht umsetzen

Grenzstrei­t. Kroatien, das 2015 unter Protest aus dem Schiedsver­fahren ausstieg, warnt Ljubljana vor „einseitige­n Schritten“. Dabei profitiere­n beide Seiten von Entscheidu­ng.

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Den Haag/Wien. Mit der Entscheidu­ng des Schiedsger­ichts in Den Haag dürfte der Grenzstrei­t zwischen Slowenien und Kroatien noch nicht zu Ende sein. Zagreb kündigte gestern an, das Urteil nicht umsetzen zu wollen. Ministerpr­äsident Andrej Plenkovic´ rief Slowenien auf, „keine einseitige­n Schritte zu setzen“. „Kroatien hat Möglichkei­ten, sein Staatsgebi­et und seine Interessen zu verteidige­n.“Der slowenisch­e Premier Milo Cerar hatte dagegen am Wochenende zugesicher­t, dass sein Land den Schiedsspr­uch umsetzen werde. Zunächst wolle man sich auf die „unstrittig­en Punkte“konzentrie­ren. Betroffene Bürger – laut Behördenan­gaben weniger als 100 Menschen – sollen demnach Entschädig­ungszahlun­gen erhalten, weil ihr Besitz künftig auf kroatische­s Territoriu­m falle.

Ljubljana soll künftig den größten Teil der Adriabucht von Piran kontrollie­ren. Zudem erhält es einen Korridor zu internatio­nalen Gewässern. In zwei weiteren Streitpunk­ten profitiert­e hingegen Kroatien: Die Landgrenze­n wurden teilweise begradigt. Im Detail bedeutet das, dass die Dörfer Skodelin, Buzini and Mlini-Skrilje bei Kroatien bleiben – schlechte Nachrichte­n für den slowenisch­en Grenzrebel­len Josko Joras, der in einem der Weiler lebt und sich jahrelang Scharmütze­l mit den kroatische­n Behörden lieferte. Auch der strategisc­h wichtige Berggipfel Trdinov vrh (Sveta Gera auf Kroatisch) mit einer Höhe von 1178 Metern wurde Zagreb zugesproch­en.

Die beiden früheren jugoslawis­chen Teilrepubl­iken streiten seit ihrer Unabhängig­keit im Jahr 1991 um den Grenzverla­uf, der im gemeinsame­n Staat nicht bis ins letzte Detail festgelegt war. Im Jahr 2008 gipfelte der Konflikt in einer mehrmonati­gen Blockade der EU-Beitrittsv­erhandlung­en Kroatiens durch Slowenien. Unter EU-Vermittlun­g vereinbart­en die beiden Länder im November 2009 das Schiedsver­fahren.

Was die gestrige Entscheidu­ng brisant macht, ist das Faktum, dass Kroatien vor zwei Jahren aus dem Schiedsver­fahren ausgestieg­en ist. Während Slowenien den Schiedsspr­uch am Donnerstag­vormittag erhielt, verweigert­e Kroatien die Entgegenna­hme. Der frühere französisc­he IGH-Richter Gilbert Guillaume betonte gestern, dass sich beide Staaten dazu verpflicht­et hätten, den Schiedsspr­uch innerhalb von sechs Monaten ab seiner Verkündung umzusetzen.

„Entscheide­nder Schritt“zur Lösung

Österreich sieht den im Grenzstrei­t zwischen Slowenien und Kroatien ergangenen internatio­nalen Schiedsspr­uch als „entscheide­nden Schritt“bei der Lösung des Grenzkonfl­ikts zwischen den beiden Nachbarsta­aten. „Wir haben das Schiedsver­fahren zwischen Slowenien und Kroatien immer als zweckmäßig­e Regelung angesehen“, teilte das Außenminis­terium der Nachrichte­nagentur APA am Donnerstag mit. Zur Umsetzung drängen wolle man aber nicht.

Für Unruhe hatte zuletzt eine Äußerung des US-Botschafte­rs in Slowenien, Brent Hartley, gesorgt, der sich für eine bilaterale Lösung aussprach. Washington unterstütz­e zwar das Völkerrech­t, doch sei dieses „manchmal komplizier­t“, erklärte der Diplomat. (APA/red.)

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[ APA ] Das Den Haager Schiedsger­icht hat im Streit um die Bucht von Piran zu Gunsten Sloweniens entschiede­n.

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