Wir wollen alles haben, aber niemanden sehen
Wer das ganze Jahr genug Stress hat, möchte in der Freizeit endlich Ruhe genießen. Einsamkeit wird für immer mehr Hotelgäste zum Luxusprodukt. Entsprechend gedeiht das Angebot an Hideaways für Zahlungskräftige.
Die Bergwiese steigt sanft an bis zum Waldrand. Im Hintergrund leuchten die Felswände des Wilden Kaisers. Postkartengerechte Idylle im Tiroler Unterland ein paar Kilometer vom Kitzbüheler Zentrum entfernt. Die Kitzbühel Lodge ist die neueste Errungenschaft des Kitzbühel Country Clubs in Reith. Neun PenthouseLodges mit edelalpinem Interieur, mit weitläufigen Dachterrassen und Privat-Spa. Das schätzen nicht nur betuchte Urlaubsgäste, sondern auch Unternehmer und Manager, die sich hier zurückziehen, um in Ruhe arbeiten zu können. Eine Art Arbeits-Hideaway ohne Meetings, fremde Handys und nörgelnde Nachbarn.
Das Klischee der Alltagsflucht ist so aktuell wie nie zuvor. Ein paar Tage seine Ruhe haben wollen, sich in ein gediegenes Ambiente zurückziehen und abschalten. Das wird immer mehr zum neuen Luxus. So ist es auch beim Bergdorf Priesteregg in Leogang im Salzburgischen. Das noble Chaletdorf auf 1100 Meter Höhe mit 16 Chalets zählt zu den erfolgreichsten Gastbetrieben in Österreich. Wartezeiten von mehreren Monaten auf ein freies Chalet sind trotz Nächtigungspreisen von 220 bis 625 Euro ziemlich normal, und das hat wohl auch viel mit der Ruhe zu tun. „Bei uns“, sagt die Priesteregg-Chefin Renate Oberlader, „gibt es etliche Gäste, die bleiben die ganze Woche im Haus, wir bekommen sie kaum zu sehen.“Das Frühstück wird jeden Morgen ins Erdgeschoss der zweistöckigen Chalets serviert, Pool und Sauna sind im Haus.
Salami vom Turopolje-Schwein
Lukrative Marktnischen gibt es nicht nur im Städtetourismus. Auch mitten in der Natur entstehen erfolgreiche Projekte. Eines davon ist „Pures Leben“, eine Gruppe von acht großzügigen Ferienhäusern mit individueller Architektur und privatem Pool und Sauna verteilt in den Weinbergen der südlichen Steiermark. Die Idee dazu hatte der Winzer Dietmar Silly, der ab 2004 zum hauseigenen Weingut die neuen Häuser bauen ließ und seine Vorstellungen vom feinen Landleben verwirklichte. „Es gibt immer mehr Gäste, die einerseits alles haben, aber keinen anderen sehen wollen“, sagt Silly, „sie wollen den Luxus und sie wollen ihn in Ruhe genießen.“Bei „Pures Leben“spielt dazu die regionale Küche eine wichtige Rolle ebenso wie der südsteirische Wein. Zum Frühstück gibt’s unter anderem Kürbiskernkäse und Speck und schimmelgereifte Salami vom Turopolje-Schwein. Bei Übernachtungspreisen inklusive Frühstückskorb zwischen 145 und 245 Euro pro Person sind die Häuser für 2017 weitgehend ausgebucht. Wer im Sommer 2018 fündig werden will, sollte sich auch nicht mehr viel Zeit lassen. 2017 kommen drei weitere Häuser in Altenbach und Sausal dazu.
Die aufkeimenden Ruhe- und Natursehnsüchte haben den Erfolg der in Österreich mittlerweile weit verbreiteten Hüttenund Chalethotels kräftig beschleunigt. Und der Markt scheint noch nicht gesättigt. Im Tannheimer Tal in Tirol eröffnet im Sommer La Soa Chalets & Eventlodge. Dabei handelt es sich um neun Chalets und zwei LodgeSuiten, die laut Ankündigung von klarer Architektur und puristischem Design geprägt sein werden. Passend zur Lage mitten in der Natur bei Schattwald wird es ein Yogaplateau und einen Sinnespfad geben. Dem Titel Eventlodge entsprechend sollen ein auf dem Wasser schwebender Hochzeitspavillon und Trauungen auf der Bergwiese angeboten werden. Dazu offeriert die Inhaberin, die Juristin und Mediatorin Stephanie Swoboda, Seminare, Führungskräftetrainings und Team-Workshops.
Gut zum Thema passt auch der Titel eines neuen Betriebs, der ebenfalls im Sommer eröffnet. „Bergwiesenglück“heißen zwölf komfortable eingerichtete Bergstadl in aussichtsreicher Höhenlage im Paznaun. Edle Hüttenatmosphäre mit Privat-Spa, Infinity-Pool im zentralen Bergwiesenhof und Frühstücksservice. Die Preise bewegen sich zwischen 180 Euro und 280 Euro pro Person und Nacht inklusive Frühstück. Für Gäste, die unten im Tal nach Abwechslung suchen, gibt es einen Shuttle-Service.
Hauseigene Sauna plus Whirlpool
Die Sehnsucht nach Ruhe und Natur beschränkt sich nicht nur auf die Luxusklasse. Auch bei den Alps Residence ist das ein zentrales Thema. „Dieser Trend ist offensichtlich und zeigt, dass immer mehr Menschen auf klassische Hotels und vorgegebene Normen verzichten und lieber locker in den Tag hinein leben wollen,“sagt Stefan Bracher, Marketingmanager bei Alps Residence. Das Unternehmen betreibt ein Dutzend Ferienhaussiedlungen in Kärnten, Salzburg und der Steiermark der mittleren bis gehobenen Kategorie. Die jüngste Errungenschaft der Alps Residence sind die im vergangenen Sommer auf der Reiteralm bei Schladming eröffneten Wellnesschalets mit 120 Quadratmeter Fläche, hauseigener Sauna und Whirlpool.
Dass es sich bei diesem Trend um eine Modeerscheinung handeln könnte, scheint eher unbegründet. Das sieht auch Johann Schopf so. Der Bauer aus dem kleinen Dorf Kopfing im oberösterreichischen Sauwald hatte vor 14 Jahren in seinem Wald einen Baumkronenweg mit Infostationen und dazu ein Baumhotel mit sechs Holzhäusern in zwölf Metern Höhe gebaut. Das Baumhotel mitten im Wald entwickelte sich zum Renner. Sieben Monate beträgt derzeit die Wartezeit auf ein freies Baumhaus.