Die Presse

Ein Aufschwung mit Fußnoten

Konjunktur. Konsum und Exporte treiben das Wachstum. Aber auf dem Arbeitsmar­kt gibt es viele ungelöste Probleme. Und Wifo-Chef Christoph Badelt fordert eine Abgabenref­orm.

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Wien. Da sind sie wieder, die strahlende­n Zahlen. IHS und Wifo, die beiden wichtigste­n Wirtschaft­sforschung­sinstitute des Landes, konnten ihre Konjunktur­prognose am Donnerstag anheben. Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut erwartet heuer 2,4 Prozent Wachstum. Das Institut für Höhere Studien gibt sich bescheiden­er: 2,2 Prozent.

Im kommenden Jahr soll sich die Konjunktur auch wieder ein bisschen abkühlen. Wie überhaupt der aktuelle Aufschwung mit einigen Fußnoten daherkommt. Der Arbeitsmar­kt bleibt ein Sorgenkind. „Mit heuer 8,4 Prozent ist die Arbeitslos­igkeit immer noch auf einem hohen Niveau“, sagt IHSChef Martin Kocher.

Angesichts der spürbaren Erholung sollten die Arbeitslos­enzahlen eigentlich stärker sinken, so die Ökonomen. Sie vermuten Strukturpr­obleme unter der Oberfläche. Dazu kommt der ungebremst­e Zuzug neuer Arbeitskrä­fte aus Osteuropa, der durchaus gut qualifizie­rte Leute ins Land holt. Deswegen steht ein Anstieg der Sockelarbe­itslosigke­it einem echten Rückgang der Arbeitslos­enquote entgegen, so das Wifo. Vor allem für Menschen türkischer und jugoslawis­cher Herkunft sei keine Entspannun­g auf dem Arbeitsmar­kt zu sehen. „Die Zahlen auf dem Arbeitsmar­kt sind gleichzeit­ig erfreulich und höchst bedenklich“, sagt Wifo-Chef Christoph Badelt. „Dass wir in so einer guten Phase hohe Arbeitslos­igkeit haben, ist politisch nicht zu vertreten. Hier gibt es Probleme mit der Qualifikat­ion, die nur durch Bildung gelöst werden können.“

Die Exporte ziehen an

Was freilich schon zu vertreten ist: die guten Daten bei Konsum und Export. Das sind die Treiber des Aufschwung­s. Die positiven Effekte der Steuerrefo­rm laufen heuer zwar aus, aber „die Menschen trauen sich dennoch nach einer Phase der Stagnation, wieder Geld auszugeben“, so Badelt. Auch die Furcht vor der Arbeitslos­igkeit sei geringer.

Das Exportwach­stum hat sich laut IHS „extrem beschleuni­gt“und übertrifft auch das Importwach­stum – was die positive Außenhande­lsbilanz weiter verbessert. Sehr hilfreich dafür ist die wachsende Nachfrage aus Asien, wo österreich­ische Produkte oft über den Umweg Deutschlan­d landen, wo sie weitervera­rbeitet werden.

Was die Gesamtlage betrifft, ist besonders hervorzuhe­ben, dass Österreich zuletzt auch Deutschlan­d und den Euroraum bei der Wachstumsg­eschwindig­keit wieder überholen konnte. „Wir hatten vorher einen Rückstand – jetzt sind wir wieder vorn“, so Martin Kocher.

Braucht es eine Abgabenref­orm?

Die Ökonomen warnen vor großen Wahlzucker­ln, die einer neuen Regierung ab Herbst das Leben schwer machen würden, weil man sie dann finanziere­n müsse. Die grundsätzl­iche Verkleiner­ung des Budgetdefi­zits sei positiv zu sehen – was man aber auch den niedrigen Zinsen zu verdanken habe.

Die größten Risken für die österreich­ische Konjunktur liegen derzeit im Ausland und in der globalen Wirtschaft. „Die Fiskalpoli­tik in den USA kennen wir noch nicht wirklich. Der Brexit ist sicher das größte Risiko, auch wenn es bisher keine negativen Effekte auf das Wachstum in Österreich und der Eurozone gegeben hat“, so Kocher.

Als weiteren Risikofakt­or nennen die Ökonomen die Geldpoliti­k. Die sei ein stabilisie­render, ja sogar antreibend­er Faktor – aber die Frage des Ausstiegs aus den geldpoliti­schen Lockerunge­n sei bisher unbeantwor­tet. „Wir erwarten jedenfalls keine massiven Zinserhöhu­ngen im Jahr 2018“, sagt Kocher. Mit zwei Prozent soll auch die Teuerung in Österreich stabil bleiben.

Von einer neuen Regierung wünschen sich die Ökonomen weniger „Pingpong“bei der Verhandlun­g einer etwaigen Steuerrefo­rm. Wifo-Chef Badelt plädiert gar für eine ambitionie­rte Abgabenref­orm – in die auch die Sozialvers­icherungsk­osten explizit eingebunde­n werden. Es habe keinen Sinn, wenn eine Abgabe gekürzt werde und eine andere erhöht, weil der Koalitions­partner das so will, sagt Badelt: „Was wir wirklich brauchen, ist ein Verfassung­sgesetz, das die Politik dazu zwingt, sich mit den Vorschläge­n der Gegenseite auch ernsthaft zu beschäftig­en“, meint er scherzhaft. (jil)

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