Wetten auf Indiens Milchdurst
Der Zucker-, Stärke- und Fruchtriese Agrana baut auf Wachstum in Asien. Das Ende der Zuckerquote in der EU sieht der Konzern gelassen.
Wien. Im Herbst ändert sich für den heimischen Zuckerriesen Agrana Grundlegendes. Nach 40 Jahren Planwirtschaft schafft die EU die Quotenregelung in der Zuckerrübenbranche ab. Bisher waren Anbau, Export und Mindestpreise genau geregelt. Nun wird der Markt geöffnet – wenn auch nur ein bisschen. Die Anbauquoten sind tatsächlich Geschichte, was sich auch schon in einer heftigen Ausweitung der Anbauflächen bemerkbar macht. Doch vor der Zuckerrohrkonkurrenz aus Südamerika und Asien schützt Brüssel die europäischen Rübenbauern weiterhin mit einem Schutzzoll von 339 Euro je importierter Tonne.
Größter Joghurtmarkt China
Der Zuckerkonzern Agrana sieht sich für das Ende der Quoten gut gerüstet. In Österreich gibt es heuer etwas weniger Rübenflächen, dafür etwas mehr in den östlichen Nachbarländern, in denen die Agrana auch wachsen will. Bleiben die Importzölle bestehen, dürfte auch der erwartete Preisverfall nach dem Ende der Zuckerquote abgesagt sein. Schon im abgelaufenen Geschäftsjahr (2016/2017) sorgten die hohen Zuckerpreise für einen kräftigen Gewinnsprung.
Aber auch die beiden Standbeine Stärke und Frucht haben zum guten Ergebnis beigetragen. Durch eine Verbesserung der Produktivität konnte deutlich mehr Stärke und Ethanol aus den Erdäpfeln und Getreide gewonnen werden. Die Erlöse im Segment Stärke lagen mit 733,9 Mio. Euro um 1,7 Prozent über dem Vorjahreswert. Investieren will Konzernchef Johann Marihart nach der erfolgreichen Kapitalerhöhung vor allem im Fruchtbereich in Asien.
Indien und China sind die beiden Zielmärkte Nummer eins. Erst im Frühjahr gab das Unternehmen bekannt, ein Fruchtverarbeitungswerk (etwa für Fruchtjoghurts) in Indien aufgekauft zu haben. „Indien ist ein Milchland“, verdeutlicht Marihart seine Strategie. Man isst nur die Kühe nicht. Joghurt ist Teil der täglichen Ernährung. Es ist auch ein Fruchtland.“
In China will das Unternehmen mit einem zweiten Werk nachlegen. Das Reich der Mitte gilt als größter Joghurtmarkt der Welt. Und das, obwohl die Chinesen derzeit im Schnitt nur 2,8 Kilogramm Joghurt im Jahr essen. Zum Vergleich: Ein Europäer schafft durchschnittlich zwölf Kilogramm.
140 Millionen Euro investieren
Da das erste Werk nahe Peking an seine Auslastungsgrenzen gestoßen ist, wird mehr als tausend Kilometer südlich, nahe Shanghai, ein zweites errichtet. Bis zur geplanten Inbetriebnahme des neuen chinesischen Werks im November 2018 werden 17 Millionen Euro investiert, bis 2023 wird die Summe auf 22 Millionen anwachsen.
Im laufenden Geschäftsjahr will die Agrana 140 Millionen Euro investieren. Umsatz und Ergebnis der Betriebstätigkeit sollen „moderat ansteigen“. Von vier Analysten, die Bloomberg befragt hat, raten drei zum Kauf der Agrana-Aktien, einer sagt „halten“. Zum Verkauf rät derzeit niemand.