Die Presse

Die Voest lässt simples Stahlkoche­n weit hinter sich

Voestalpin­e. Dem Stahlkonze­rn können Überkapazi­täten im Massenmark­t nichts mehr anhaben. Die Analysten applaudier­en. Aber Trumps Handelspol­itik macht Sorgen, und teure Investitio­nen müssen erst verdaut werden.

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Linz. Schon der Name der Stadt hat etwas Biblisches: Corpus Christi. Dazu passend startete das größte Investment in der Geschichte der Voestalpin­e mit einer Art Sintflut: wochenlang­e Unwetter mit Überschwem­mungen, wie sie Texas noch nie erlebt hatte. Wenig später ließ der Schieferga­sboom in der Gegend die Preise für Beton und Bauarbeite­r in die Höhe schnellen. Verschärft­e Umweltaufl­agen besorgten den Rest: Die Kosten für das Werk zur Herstellun­g von Eisenschwa­mm, einem Vorprodukt der Stahlprodu­ktion, gingen durch die Decke, auf eine Milliarde Dollar – um ein gutes Drittel mehr als geplant, in Euro gerechnet gar um 70 Prozent.

Was Ende Jänner sogar die FMA auf den Plan rief. Die Aufseher prüften, ob der Linzer Spezialsta­hlkonzern seine Aktionäre zu spät über die Kostenüber­schreitung­en informiert hat. Aber statt der von manchen Medien erwarteten hohen Strafen gab es schon bald Entwarnung. Dass der Kurs nicht reagierte, schien der beste Beweis dafür, dass sich die Investoren offenbar schon vorher ausreichen­d informiert fühlten.

Sie blieben auch nach der Präsentati­on der durchwachs­enen Zahlen für das dritte Quartal im Geschäftsj­ahr 2016/17 gelassen. Voest-Chef Wolfgang Eder verwies auf „investitio­nsbedingt höhere Abschreibu­ngen“, weshalb nur die bereinigte­n Zahlen relevant seien: „Ein Gewinneinb­ruch sieht anders aus.“Für das Gesamtjahr (bis 31. März) drehte dieses bereinigte Ergebnis klar ins Plus. Damit stieg auch – zum fünften Mal in Folge – die Dividende: von 1,05 auf 1,10 Euro pro Aktie. Was sich der BörsePreis­träger 2017 auch leisten kann: Die Eigenmitte­l kletterten auf über sechs Mrd. Euro, die Verschuldu­ng blieb trotz Großinvest­itionen stabil bei 53 Prozent. Dennoch will die Voest im neuen Geschäftsj­ahr ihre Kraftakte erst einmal verdauen und die Investitio­nen zurückschr­auben: von 1,3 Mrd. auf 850 Mio. Euro. Das sollte sich positiv auf die Ergebnisse auswirken.

Die Analysten sehen auch aus anderen Gründen recht optimistis­ch in die Zukunft: Die Branche profitiert von zyklischem Aufwind, die Margen verbessern sich, die Nachfrage vom Öl- und Gasgeschäf­t sollte wieder zunehmen. Vorsichtig­e Entwarnung gibt es für den Standort Österreich: Durch den Kompromiss bei der Strom- preiszone mit Deutschlan­d sieht die Voest den Worst Case für die Energiekos­ten abgewendet. Ob sie in Kapfenberg tatsächlic­h in ein neues Edelstahlw­erk investiert (geplante Summe: 250 bis 300 Mio.), wird sich aber erst im Herbst entscheide­n.

Mehrertrag in der Nische

Sorgen bereitet die protektion­istische Handelspol­itik von Donald Trump. Der US-Präsident möchte ja bekanntlic­h die Nafta-Freihandel­szone in ihrer jetzigen Form zerschlage­n. Für die Voest ist aber die Ländergrup­pe USA, Kanada und Mexiko neben Asien der wichtigste Auslandsma­rkt: Im Vorjahr machte der Konzern dort 1,3 Mrd. Euro Umsatz (von 11,3 Mrd. in Summe); nächstes Jahr sollen es schon zwei Milliarden sein. Wachstum und Margen sind in dieser Region deutlich höher als in Europa. An den Ausbauplän­en in Mexiko will Eder trotz möglicher Strafzölle festhalten – es sei denn, die deutschen Autoherste­ller als wichtigste Kunden ziehen sich aus dem Land zurück.

Vom Stahlmasse­nmarkt mit seinen Überkapazi­täten und Preisverfa­ll hat sich die Voest schon lange entkoppelt. Sie agiert zu einem guten Teil in Nischen, wo sie über die Preismacht verfügt. Das zeigt sich auch an der Kursentwic­klung: Während der Weltstahli­ndex seit Jahresbegi­nn um über sechs Prozent verloren hat, legten die Linzer um zehn Prozent auf zuletzt 40,50 Euro zu.

Geradezu euphorisch zeigten sich jüngst die Analysten von Barclays, die ihr Kursziel von 46 auf 50 Euro anhoben und die Empfehlung „Übergewich­ten“beibehielt­en. Sie erwarten für dieses Jahr ein Rekorderge­bnis.

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