Maria Theresias Kunst: Die Familie, das Reich
Unteres Belvedere. Eine mit großem Herzen gemachte Ausstellung rehabilitiert das Verhältnis von „Maria Theresia und der Kunst“. Im Mittelpunkt stehen Landschafts-Gemälde und Familien-Porträts. Ausdruck eines weiblichen Sammlertums?
Sie thront zwar zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum, beide in Auftrag gegeben von ihrem Ururenkel Franz Joseph I. Aber mit Kunst? Damit assoziiert man die Landesmutter Maria Theresia nicht unbedingt. Mit frommen Heiligen-Bildchen, mit ein paar Porträts als üppiger Monarchin vielleicht. Und das ist total ungerecht.
Eine große Ausstellung im Unteren Belvedere rehabilitiert jetzt das Verhältnis der beiden, „Maria Theresia und der Kunst“, das der Barock-Kurator des Belvederes, Georg Lechner, sehr liebevoll für uns aufgearbeitet hat. So haben wir etwa die ganze CanalettoBlick-Debatte der Habsburgerin zu verdanken, die damals den italienischen Maler Canaletto mit 13 Ansichten von Wien beauftragte, darunter dem berühmten Ausblick vom Oberen Belvedere aufs heutige Unesco-Weltkulturerbe. Ihr Faible für Landschafts-Malerei und Veduten ist überhaupt das Auffälligste ihrer Kunstankäufe, die sie mit einem knappen „Placet“am Rand der Vorschläge, die Galerie-Direktor Joseph Rosa ihr unterbreitete, bestätigte. Und das tat sie gar nicht selten, jedenfalls viel öfter, als ihr Sohn Joseph II. es später tun sollte, der mit Kunst wenig anzufangen wusste (obwohl er wie alle Kinder der Monarchin eine exzellente künstlerische Ausbildung bekam).
Vater der Biedermeier-Landschaft
Warum aber bewegte gerade die Landschaft Maria Theresia so sehr? Das kann sich weder Lechner wirklich erklären, noch kann man es vor den Originalen richtig nachempfinden. Zu allem Überfluss rangierte die Landschaftsmalerei im Ranking der Malerei-Themen weit unten, hinter mythologischen, religiösen, historischen Inhalten und dem pompösen Herrscher-Porträt sowieso. Maria Theresia aber scheint die stimmungsvollen, ungewöhnlich präzise gemalten LandschaftsGemälde v. a. des jungen Wiener Malers Johann Christian Brand (1722–1795) genossen zu haben; unter ihrer Regentschaft wurde er Professor für Landschaftszeichnung an der Kunst-Akademie und gilt dadurch als Vater der Biedermeier-Landschaftsschule. Ein ganzer Saal ist ihm gewidmet, inklusive Leihgaben einiger Meisterwerke aus dem Ausland, etwa der „Großen Sandgrube“aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.
Man kommt nicht umhin, diese Liebe zur Landschaft vielleicht als weiblichen Zug in Maria Theresias Kunstgeschmack werten zu wollen. Genau wie den zweiten großen Schwerpunkt, der in der Ausstellung gesetzt wird, nämlich die Familienporträts. Ihre Mutterschaft wusste die Herrscherin ja taktisch-politisch geschickt einzusetzen, wie Elisabeth Badinter in ihrer kürzlich erschienenen Biografie „Maria Theresia. Die Macht der Frau“beschreibt. Dazu muss die Familie natürlich auch künstlerisch inszeniert werden. Wofür v. a. Hofmaler Martin van Meytens (1695–1770) zuständig war. Stilistisch könnte man seine Porträts mit „nur nicht atmen!“zusammenfassen, nachzufühlen vor dem extrem gezierten Bildnis Erzherzogin Marie Christines. Aber auch seine präzise, porzellanene Malweise passt gut zum Geschmack Maria Theresias (dem Wien auch seinen Ruf als Porzellan-Stadt zu verdanken hat). Nachdem 2014/15 schon eine eigene MeytensAusstellung im Winterpalais stattfand, konzentriert Lechner sich diesmal auf weniger bekannte Porträtisten, wie den noch viel stärker im Rokoko verhafteten Franz Anton Palko (1717–1766), von dem mehrere monumentale, stofflich sehr bewegte Schinken stammen. Darunter das kaiserliche Paar Franz I. Stephan und die ihn über alles liebende Gattin mit dem süßen Doppelkinn, das uns durch die Ausstellung verfolgt.
Genauso wie die Liebesbeweise an diesen untreuen Ehemann es tun, vor dem man in einem Seitenkabinett in voller antikisierender Pracht zu stehen kommt: Die lebensgroße Marmor-Skulptur des Kaisers als römischer Cäsar ließ Maria Theresia posthum von ihm fertigen. Lange wurde es Balthasar Ferdinand Moll zugeschrieben, mittlerweile gilt Wilhelm Beyer als Schöpfer dieses glatt-glänzenden Männer-Traums, inklusive SchnürSandalen und Lorbeerkranz.
Mutter des Belvedere-Museums
Jener Beyer war auch mit den Skulpturen im Schönbrunner Park beschäftigt, ihnen und ihren Bildhauern gilt der Abschluss der Schau, die bis auf die Entwürfe zu den vielen Deckengemälden auffällig wenig religiöse Sujets zeigt. Maria Theresias Glaube scheint in die Kirchen gehört zu haben, in privaten Tafelgemälden inszenierte sie eher Reich (Landschaft) und Familie (Porträts). Mit einigem Kunstverstand übrigens (bei dem sie u. a. Graf Kaunitz beriet). So bekam Franz Xaver Messerschmidt zwar keine Professur unter ihrer Ägide (Schuld waren laut Lechner Intrigen auf der Akademie). Dafür beauftragte sie bei ihm die größten Skulpturen seines Werks – natürlich Franz Stephan und sich selbst. Noch heute stehen sie so in der Sala Terrena des Oberen Belvederes, dem ehemaligen Schloss des Prinz Eugen, das Maria Theresia nach dessen Tod kaufte, um es der Kunst zu widmen. Um die Gemälde-Galerie von der Stallburg hierher zu übersiedeln. Eigentlich hätte man ihr hier, nicht vor dem KHM, ein Denkmal als Kunst-Mäzenin setzen sollen.
zeigt, dass die Herrscherin entgegen den Klischees ein durchaus progressives Kunstverständnis hatte und auch Unkonventionelles unterstützte. Die Schau umfasst rund 120 Werke und zeigt, welche Bedeutung das kulturelle Engagement der Herrscherin für die Nachwelt hatte. Unteres Belvedere, 30. Juni bis 5. November, täglich 10 bis 18 Uhr, ab 1. Juli Freitags bis 21 Uhr, Eintritt: € 13.