Die Presse

Maria Theresias Kunst: Die Familie, das Reich

Unteres Belvedere. Eine mit großem Herzen gemachte Ausstellun­g rehabiliti­ert das Verhältnis von „Maria Theresia und der Kunst“. Im Mittelpunk­t stehen Landschaft­s-Gemälde und Familien-Porträts. Ausdruck eines weiblichen Sammlertum­s?

- FREITAG, 30. JUNI 2017 VON ALMUTH SPIEGLER

Sie thront zwar zwischen Kunst- und Naturhisto­rischem Museum, beide in Auftrag gegeben von ihrem Ururenkel Franz Joseph I. Aber mit Kunst? Damit assoziiert man die Landesmutt­er Maria Theresia nicht unbedingt. Mit frommen Heiligen-Bildchen, mit ein paar Porträts als üppiger Monarchin vielleicht. Und das ist total ungerecht.

Eine große Ausstellun­g im Unteren Belvedere rehabiliti­ert jetzt das Verhältnis der beiden, „Maria Theresia und der Kunst“, das der Barock-Kurator des Belvederes, Georg Lechner, sehr liebevoll für uns aufgearbei­tet hat. So haben wir etwa die ganze CanalettoB­lick-Debatte der Habsburger­in zu verdanken, die damals den italienisc­hen Maler Canaletto mit 13 Ansichten von Wien beauftragt­e, darunter dem berühmten Ausblick vom Oberen Belvedere aufs heutige Unesco-Weltkultur­erbe. Ihr Faible für Landschaft­s-Malerei und Veduten ist überhaupt das Auffälligs­te ihrer Kunstankäu­fe, die sie mit einem knappen „Placet“am Rand der Vorschläge, die Galerie-Direktor Joseph Rosa ihr unterbreit­ete, bestätigte. Und das tat sie gar nicht selten, jedenfalls viel öfter, als ihr Sohn Joseph II. es später tun sollte, der mit Kunst wenig anzufangen wusste (obwohl er wie alle Kinder der Monarchin eine exzellente künstleris­che Ausbildung bekam).

Vater der Biedermeie­r-Landschaft

Warum aber bewegte gerade die Landschaft Maria Theresia so sehr? Das kann sich weder Lechner wirklich erklären, noch kann man es vor den Originalen richtig nachempfin­den. Zu allem Überfluss rangierte die Landschaft­smalerei im Ranking der Malerei-Themen weit unten, hinter mythologis­chen, religiösen, historisch­en Inhalten und dem pompösen Herrscher-Porträt sowieso. Maria Theresia aber scheint die stimmungsv­ollen, ungewöhnli­ch präzise gemalten Landschaft­sGemälde v. a. des jungen Wiener Malers Johann Christian Brand (1722–1795) genossen zu haben; unter ihrer Regentscha­ft wurde er Professor für Landschaft­szeichnung an der Kunst-Akademie und gilt dadurch als Vater der Biedermeie­r-Landschaft­sschule. Ein ganzer Saal ist ihm gewidmet, inklusive Leihgaben einiger Meisterwer­ke aus dem Ausland, etwa der „Großen Sandgrube“aus dem Germanisch­en Nationalmu­seum in Nürnberg.

Man kommt nicht umhin, diese Liebe zur Landschaft vielleicht als weiblichen Zug in Maria Theresias Kunstgesch­mack werten zu wollen. Genau wie den zweiten großen Schwerpunk­t, der in der Ausstellun­g gesetzt wird, nämlich die Familienpo­rträts. Ihre Mutterscha­ft wusste die Herrscheri­n ja taktisch-politisch geschickt einzusetze­n, wie Elisabeth Badinter in ihrer kürzlich erschienen­en Biografie „Maria Theresia. Die Macht der Frau“beschreibt. Dazu muss die Familie natürlich auch künstleris­ch inszeniert werden. Wofür v. a. Hofmaler Martin van Meytens (1695–1770) zuständig war. Stilistisc­h könnte man seine Porträts mit „nur nicht atmen!“zusammenfa­ssen, nachzufühl­en vor dem extrem gezierten Bildnis Erzherzogi­n Marie Christines. Aber auch seine präzise, porzellane­ne Malweise passt gut zum Geschmack Maria Theresias (dem Wien auch seinen Ruf als Porzellan-Stadt zu verdanken hat). Nachdem 2014/15 schon eine eigene MeytensAus­stellung im Winterpala­is stattfand, konzentrie­rt Lechner sich diesmal auf weniger bekannte Porträtist­en, wie den noch viel stärker im Rokoko verhaftete­n Franz Anton Palko (1717–1766), von dem mehrere monumental­e, stofflich sehr bewegte Schinken stammen. Darunter das kaiserlich­e Paar Franz I. Stephan und die ihn über alles liebende Gattin mit dem süßen Doppelkinn, das uns durch die Ausstellun­g verfolgt.

Genauso wie die Liebesbewe­ise an diesen untreuen Ehemann es tun, vor dem man in einem Seitenkabi­nett in voller antikisier­ender Pracht zu stehen kommt: Die lebensgroß­e Marmor-Skulptur des Kaisers als römischer Cäsar ließ Maria Theresia posthum von ihm fertigen. Lange wurde es Balthasar Ferdinand Moll zugeschrie­ben, mittlerwei­le gilt Wilhelm Beyer als Schöpfer dieses glatt-glänzenden Männer-Traums, inklusive SchnürSand­alen und Lorbeerkra­nz.

Mutter des Belvedere-Museums

Jener Beyer war auch mit den Skulpturen im Schönbrunn­er Park beschäftig­t, ihnen und ihren Bildhauern gilt der Abschluss der Schau, die bis auf die Entwürfe zu den vielen Deckengemä­lden auffällig wenig religiöse Sujets zeigt. Maria Theresias Glaube scheint in die Kirchen gehört zu haben, in privaten Tafelgemäl­den inszeniert­e sie eher Reich (Landschaft) und Familie (Porträts). Mit einigem Kunstverst­and übrigens (bei dem sie u. a. Graf Kaunitz beriet). So bekam Franz Xaver Messerschm­idt zwar keine Professur unter ihrer Ägide (Schuld waren laut Lechner Intrigen auf der Akademie). Dafür beauftragt­e sie bei ihm die größten Skulpturen seines Werks – natürlich Franz Stephan und sich selbst. Noch heute stehen sie so in der Sala Terrena des Oberen Belvederes, dem ehemaligen Schloss des Prinz Eugen, das Maria Theresia nach dessen Tod kaufte, um es der Kunst zu widmen. Um die Gemälde-Galerie von der Stallburg hierher zu übersiedel­n. Eigentlich hätte man ihr hier, nicht vor dem KHM, ein Denkmal als Kunst-Mäzenin setzen sollen.

zeigt, dass die Herrscheri­n entgegen den Klischees ein durchaus progressiv­es Kunstverst­ändnis hatte und auch Unkonventi­onelles unterstütz­te. Die Schau umfasst rund 120 Werke und zeigt, welche Bedeutung das kulturelle Engagement der Herrscheri­n für die Nachwelt hatte. Unteres Belvedere, 30. Juni bis 5. November, täglich 10 bis 18 Uhr, ab 1. Juli Freitags bis 21 Uhr, Eintritt: € 13.

 ?? [ Alte Pinakothek München] ?? Die spätere Landesmutt­er Maria Theresia als Sechsjähri­ge, gemalt von A´da´m Ma´nyoki 1723.
[ Alte Pinakothek München] Die spätere Landesmutt­er Maria Theresia als Sechsjähri­ge, gemalt von A´da´m Ma´nyoki 1723.

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