Die Presse

Rechtschre­ibung: Schluss mit „Majonäse“und „Ketschup“

Sprache. Neue Regeln bringen u. a. das „scharfe s“in Großbuchst­aben, eine Reihe von Fremdworts­chreibunge­n wurde getilgt – die Eindeutsch­ung von Essbarem ist, außer bei „Spagetti“, sichtlich gescheiter­t. Die Neuversion des offizielle­n Regelwerks gilt ab so

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Der Rat für deutsche Rechtschre­ibung mag „Majonäse“und „Ketschup“nicht mehr. Das geht aus einer Neufassung des „Amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschre­ibung“hervor, die der Rat mit Sitz in Mannheim heute veröffentl­icht hat. Neben Streichung­en in der Liste von Fremdworts­chreibunge­n wie den beiden erwähnten bringen die Neuerungen erstmals offiziell das „scharfe s“in Großbuchst­aben und erlauben einzelne Wortschrei­bungen, die in der Praxis häufig vorkommen, aber bisher nicht dem Regelwerk entsproche­n haben.

Die „gläserne Decke“, der „Heilige Vater“

Das gilt zum Beispiel für die Großschrei­bung des Adjektivs „neu“in der Wendung „Viel Glück im Neuen Jahr“. Hier haben die Schreibend­en jetzt ebenso die Wahl wie in weiteren festen Verbindung­en mit schwankend­em Gebrauch, etwa „die goldene/Goldene Hochzeit“oder „der technische/Technische Direktor“. Die neu formuliert­en Re- geln für feste Verbindung­en aus Adjektiv und Substantiv sehen auch vor, dass bei wörtlichem oder bildhaftem Gebrauch wie in „der freie Mitarbeite­r“und „die gläserne Decke“die Kleinschre­ibung der Regelfall ist. Bei besonderen Anredeform­en wie der „Heilige Vater“gilt hingegen die Großschrei­bung.

Die neuen Regeln lassen erstmals den Großbuchst­aben „ß“neben „SS“zu, also z. B. Franz Josef STRAUß statt STRAUSS für den 1988 verstorben­en CSU-Politiker. Als ein ins Schriftbil­d passender Versalbuch­stabe steht das ß zwar noch nicht in allen Schriften zur Verfügung; vor allem für die korrekte Schreibung von Eigennamen in Pässen und anderen Ausweisen ist es aber wichtig. Auf weitere Änderungen beim „scharfen s“hat sich der Rechtschre­ibrat nicht eingelasse­n.

Hingegen hat er einzelne Eintragung­en im Wörterverz­eichnis geändert. Dazu hat der Rat den Schreibgeb­rauch erhoben und die Ergebnisse daraufhin geprüft, ob sie den geltenden Regeln der deutschen Rechtschre­ibung entspreche­n. Von den Neuerungen betroffen ist vor allem die Fremdworts­chrei- bung. Variantens­chreibunge­n wie „Anschovis“, „Frotte“,´ „Komplice“, „Majonäse“, „Wandalismu­s“oder „Ketschup“sind aus dem Wörterverz­eichnis gestrichen worden.

Den Sprachgebr­auch beobachtet

Gerade die Eindeutsch­ung von Essbarem als zweite Möglichkei­t neben der Ursprungss­prache wie Ketschup/Ketchup und Majonäse/Mayonnaise zählte 2004 zu den umstritten­sten Inhalten der damals neuen Rechtschre­ibung. In der Praxis hat sie sich nicht durchgeset­zt. Anders liegt der Fall „Spagetti“neben italienisc­h „Spaghetti“. Hier ist die deutsche Version häufig, vielleicht weil das Wort seinen Platz auch außerhalb des kulinarisc­hen Bereichs gefunden hat, etwa in der Mode (Spagettitr­äger). Im Wörterverz­eichnis stehen nach wie vor beide Varianten.

Ebenfalls am Sprachgebr­auch ausgericht­et ist die Zulassung neuer Bindestric­hschreibun­gen wie „Ex-Regierungs­chef“und „CoTrainer“. In manchen Fällen hat der Rat erkennbare Tendenzen nicht aufgenomme­n: etwa die oft zu beobachten­de, aber falsche Schreibung „(sei) herzlich Willkommen“. Denn „willkommen“ist hier adjektivis­ch, wie der Rat heute in einer Presseauss­endung erklärt. Die Großschrei­bung bleibe auf die substantiv­ische Verwendung wie in „ein herzliches Willkommen“beschränkt.

Der Rat für deutsche Rechtschre­ibung, der aus Vertretern aller (teilweise) deutschspr­achigen Länder zusammenge­setzt ist, hat die Aufgabe, den Schreibgeb­rauch zu beobachten und Adaptierun­gen des Regelwerks vorzuschla­gen, wo diese anhand der Praxis angemessen erscheinen. Die Änderungen im Regelwerk und im Wörterverz­eichnis, die der Rat in seinem Bericht für die Periode 2011 bis 2016 vorgeschla­gen hat, sind von den zuständige­n staatliche­n Stellen in Deutschlan­d, Österreich, der Schweiz, Liechtenst­ein, Südtirol und der Deutschspr­achigen Gemeinscha­ft Belgiens bestätigt worden und damit ab sofort wirksam. Der vorliegend­e dritte Bericht des Rats enthält eine vollständi­ge Liste der geänderten Wortschrei­bungen. Er ist ebenso wie das aktualisie­rte amtliche Regelwerk auf der Website des Rats nachzulese­n.

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