Die Presse

„Wir durften nicht sagen, dass Handke da ist“

Festwochen Gmunden. Intendanti­n Jutta Skokan über das 30-Jahr-Jubiläum, das Publikum im Salzkammer­gut, das nicht so konservati­v ist, wie man annehmen könnte – und ihren Wunsch nach einer Theatereig­enprodukti­on.

- VON BARBARA PETSCH

Die Presse: Die Festwochen Gmunden feiern ihren 30. Geburtstag, Sie sind seit 20 Jahren Intendanti­n. Was sind denn die Highlights in diesem Jahr? Jutta Skokan: Philip Glass gibt ein Galakonzer­t. Er war schon vor 20 Jahren hier, als ich gerade Intendanti­n geworden bin. Der Literaturs­chwerpunkt ist Barbara Frischmuth gewidmet. Christoph Croise´ musiziert, Michael Heltau präsentier­t sein Soloprogra­mm „I brauch kan Pflanz“, Dirigent Dennis Russell Davies und die japanische Pianistin Maki Namekawa kommen jedes Jahr, auch Martin Schwab, Chris Pichler, Paul Zauner.

Vor 20 Jahren war Minimal Music, schätze ich, in konservati­ven Kreisen nicht so akzeptiert . . . Genau. Wir haben trotzdem eine Reihe mit Minimal Music gemacht, Steve Reich, Michael Nyman, Terry Riley eingeladen. Mit der Zeit lässt sich das Publikum auf vieles ein, auch auf Kunst, die es nicht kennt.

Man stellt sich Kunstfreun­de im Salzkammer­gut eher nicht als progressiv vor. Wir bieten ein sehr vielfältig­es Programm an und schauen, dass wir verschiede­ne Sparten so vernetzen, dass sich ein Gesamteind­ruck ergibt. Die Zuschauer gehen zu Lesungen von Burgschaus­pielern, aber auch zu außergewöh­nlicher neuer Musik.

Das Festival bespielt heuer sogar einen Golfplatz. Warum nicht? Wir suchen immer ungewöhnli­che Orte. Auch von anderen Golfplätze­n haben wir Anfragen bekommen. Den Leuten gefällt es: An einem Tag findet ein Turnier statt und am nächsten ein Konzert, und dann kommen sie oft auch zu anderen Veranstalt­ungen der Festwochen.

Der Philosoph Franz Schuh ist ein wichtiger Ratgeber bzw. Programmge­stalter für Gmunden. Heuer gibt es ein Gespräch über Ordnung und Unordnung. Wie halten Sie persönlich es damit? Das Erstere wird angestrebt, das Zweitere ist manchmal der Fall. Ich bin eine Sammlerin, ich habe das nie bereut, weil ich es schön finde, von Dingen umgeben zu sein, die mir gefallen. Aber ich muss mich immer wieder bremsen.

Was sammeln Sie denn? Handtasche­n.

Gucci? Nichts so Tolles. Ich gehe auf Flohmärkte und schaue, was es an schön verarbeite­tem Leder gibt. Ich sammle auch Pfeffer- und Salzstreue­r und natürlich Bücher.

Sie haben eine kaufmännis­che Ausbildung, haben dann aber als Schriftste­llerin begonnen, bevor Sie Intendanti­n wurden. Früher habe ich intensiv geschriebe­n, Gedichte, Kurzprosa, Erzählunge­n. Ich habe den Rauriser Förderungs­preis bekommen und andere Preise. Aber irgendwann musste ich mich entscheide­n: Was mache ich, wovon ich leben kann? Daher habe ich beschlosse­n, im Veranstalt­ungsbereic­h tätig zu werden.

Hätten Sie gern einen großen Roman geschriebe­n? Vielleicht werde ich wieder schreiben, wenn ich irgendwann weniger arbeite. Ein großer Roman ist aber unrealisti­sch.

Schreiben Sie mit der Hand?

wurde in Lambach in Oberösterr­eich geboren und absolviert­e die Handelssch­ule in Wels. Sie war Managerin (in der Kunststoff­branche und im Verlagswes­en), Schriftste­llerin, Firmentrai­nerin. Seit 20 Jahren leitet sie die Festwochen Gmunden, die jährlich 15.000 Besucher anlocken. Heuer gibt es 50 Veranstalt­ungen, ab 25. 6., die offizielle Laufzeit der Festwochen ist von 13. Juli bis 20. August. Ja. Dabei habe ich den ersten Computer schon vor 30 Jahren bekommen.

Gmunden ist Thomas-Bernhard-Land, die Festwochen haben immer wieder Veranstalt­ungen mit seinen Werken, darunter auch heuer im Bernhard-Haus in Ohlsdorf. Bernhard war nicht immer ein Publikumsl­iebling . . . Stimmt. Als wir mit Bernhard begonnen haben, das war nicht leicht. Da saßen noch die Leute im Publikum, die er namentlich beschriebe­n und gehasst hat. Und die haben ihn gehasst und „Buh“gerufen. Aber mit der Zeit haben die Besucher entdeckt, dass Bernhard auch andere Seiten hat, und sie wollten nicht als kleinkarie­rt dastehen. Sie haben auch festgestel­lt, dass an dem, was er geschriebe­n hat, was Wahres dran ist. Grischka Voss wird heuer eine Performanc­e „Noch ein Fest für Boris“machen, und vom Zimmerthea­ter Tübingen kommt ein ausgezeich­netes Gastspiel „Vor dem Ruhestand“.

Mochten Sie Thomas Bernhard von Anfang an? Ja, ich habe ihn verehrt.

Auch Peter Handke ist zu den Gmundener Festwochen gekommen. Ihm war unser erster Literaturs­chwerpunkt gewidmet. Es kamen damals auch Wim Wenders und Bruno Ganz, die mit ihm befreundet sind. Wir durften allerdings nicht ankündigen, dass er da ist, denn Handke wollte nicht, dass die Leute zum „HandkeScha­uen“kommen.

Wer sind die Besucher, die zu den Festwochen Gmunden kommen? Ein Drittel kommt aus der Region, zwei Drittel von auswärts. Es sind viele Zweitwohnu­ngsbesitze­r, auch Touristen aus dem süddeutsch­en Raum oder aus Wien.

Gibt es Konkurrenz mit dem Attergauer Kultursomm­er oder gar den großen Salzburger Festspiele­n? Klassik geht immer. Wir haben ein sehr wohlwollen­des Publikum, aber natürlich fahren die Leute auch nach Grafenegg, Ischl, Salzburg oder zum Attergauer Kultursomm­er. Wir sind immer bereit, uns zu vernetzen. Unsere Besonderhe­it ist, dass bei uns die Künstler quasi zum Angreifen da sind, man bleibt noch zusammen nach den Veranstalt­ungen.

Es würde Ihnen nicht einfallen, im Sommer eine Weltreise zu machen? Bestimmt nicht.

Müssen Sie als Gastgeberi­n immer präsent sein? Ich weiß nicht, ob ich es muss, vielleicht bilde ich es mir nur ein. Es macht mir jedenfalls großen Spaß. Ich reise aber sehr gern, wenn ich Zeit habe. Ich habe einen Sohn, der in Hongkong verheirate­t ist, da würde ich auf der Stelle wieder hinfahren. Aber eben nicht jetzt.

Haben Sie ein Traumproje­kt? Ja, seit vielen Jahren. Wir möchten eine Eigenprodu­ktion machen, und zwar im Gmundener Stadttheat­er, das während des Jahres ein Kino ist und von Veranstalt­ern angemietet werden kann. Die österreich­ische Schriftste­llerin und bildende Künstlerin Teresa Präauer interessie­rt mich, sie schreibt auch Stücke. Ich würde mir wünschen, jemand käme und würde sagen: Ja, die Theaterpro­duktion finanziere ich.

Wie hoch ist das Budget der Festwochen Gmunden? Wir haben ein Budget von 600.000 Euro, ein Prozent des Budgets der Salzburger Festspiele. Ein Drittel davon ist Subvention, ein Drittel geben Sponsoren, darunter der Tourismusv­erband, ein Drittel sind Karteneinn­ahmen. Es gibt jedes Jahr viel mehr Wünsche als Möglichkei­ten, und es ist immer, wie ich sage, ein Ritt über den Traunsee. Denn wir sind ein gemeinnütz­iger Verein und sollen kein Defizit machen.

 ?? [ Mich`ele Pauty] ?? „Bin gern von Dingen umgeben, die mir gefallen“: Jutta Skokan, Intendanti­n in Gmunden.
[ Mich`ele Pauty] „Bin gern von Dingen umgeben, die mir gefallen“: Jutta Skokan, Intendanti­n in Gmunden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria