Die Presse

Pferde: Edles Blut kam aus dem Orient

Genetik. Eine Analyse des Y-Chromosoms durch Forscher der Vet-Med Wien zeigt, dass die Pracht der heutigen Pferde Arabien und Turkmenist­an zu danken ist.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Was heute in der Wiener Hofreitsch­ule nervös tänzelt oder auf irgendeine­r Rennbahn der Erde massig die Muskeln spielen lässt, hat mit seinen allererste­n Ahnen nicht mehr viel gemeinsam: Als das Urpferdche­n vor 55 Millionen Jahren in den Regenwälde­rn Nordamerik­as entstand, war es klein wie eine Katze und ernährte sich von Früchten. Vor 23 Millionen Jahren stellte es auf Gras um – notgedrung­en, es hatte eine Abkühlung gegeben –, es wurde größer und differenzi­erte sich breit aus. Dann verschwand­en fast alle wieder, geblieben ist nur Equus – auch Zebra und Esel gehören dazu –, in Nordamerik­a verschwand auch es, in Eurasien hielt es stand.

Dort wurde es auch domestizie­rt, man weiß nicht genau, wo und wann, aber vieles deutet auf Kasachstan vor 5500 Jahren und eine Nutzung sowohl als Lieferant von Fleisch und Milch als auch als Reittier, die alten Knochen zeigen Abriebspur­en durch Halfter. Spä- ter kam das Pferd auch nach Westeuropa und dort wurde es in den letzten Jahrhunder­ten zu dem feinnervig­en Vollblut veredelt, das vielen die Augen und das Herz übergehen lässt.

Auslese bei Hengsten

Aber wie wurde veredelt? Auskunft gaben bisher vor allem die Zuchtbüche­r, die für die Gene zuständige Wissenscha­ft hingegen konnte wenig beitragen: Zwar weiß man, dass die Stuten immer wieder mit neuen Genvariant­en angereiche­rt wurden, man weiß das aus der kleinen mitochondr­ialen DNA, die nur von Müttern vererbt wird. Aber bei den Hengsten ist die Analyse schwierige­r, das Y-Chromosom ist ohnehin das problemati­schste, weil es sehr viele repetitive Genabschni­tte hat, und das Y der heutigen Pferde hat eine so geringe Variations­breite, dass bisherige Analysen nichts zu Stammbäume­n beitragen konnten.

Nun hat eine Gruppe der VetMed Wien um Barbara Wallner mit verfeinert­en Methoden einen neu- en Anlauf genommen und die Y-Chromosome­n von 21 europäisch­en Rassen analysiert (und mit denen von Esel und den letzten Wildpferde­n: den Przewalski verglichen). Die Pferde Europas zerfallen in zwei Gruppen. Eine kleine, heimisch gebliebene hält sich im Norden (Shetlandpo­ny, Islandpfer­d, Norwegisch­es Fjordpferd), alle anderen, an der Spitze das für die Zucht wichtige Englische Vollblut, haben ihr edles Blut aus dem Orient, und dort aus zwei Regionen: Seit etwa 700 Jahren immer wieder eingekreuz­t wurden Araber (von der Arabischen Halbinsel) und Turkmenen (aus den dortigen Steppen), und das so oft, dass vom alten Y-Chromosom kaum mehr etwas da ist (Current Biology 29. 6.).

„Die Sequenzier­daten stimmen mit den Aufzeichnu­ngen in Zuchtbüche­rn, die bei manchen Rassen ins 17. Jahrhunder­t zurück reichen, in den meisten Fällen überein“, schließt Wallner, die ihre Methoden als „zusätzlich­e Abscherung“beim Erwerb des nicht nur edlen, sondern auch teuren Bluts sieht.

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