Pferde: Edles Blut kam aus dem Orient
Genetik. Eine Analyse des Y-Chromosoms durch Forscher der Vet-Med Wien zeigt, dass die Pracht der heutigen Pferde Arabien und Turkmenistan zu danken ist.
Was heute in der Wiener Hofreitschule nervös tänzelt oder auf irgendeiner Rennbahn der Erde massig die Muskeln spielen lässt, hat mit seinen allerersten Ahnen nicht mehr viel gemeinsam: Als das Urpferdchen vor 55 Millionen Jahren in den Regenwäldern Nordamerikas entstand, war es klein wie eine Katze und ernährte sich von Früchten. Vor 23 Millionen Jahren stellte es auf Gras um – notgedrungen, es hatte eine Abkühlung gegeben –, es wurde größer und differenzierte sich breit aus. Dann verschwanden fast alle wieder, geblieben ist nur Equus – auch Zebra und Esel gehören dazu –, in Nordamerika verschwand auch es, in Eurasien hielt es stand.
Dort wurde es auch domestiziert, man weiß nicht genau, wo und wann, aber vieles deutet auf Kasachstan vor 5500 Jahren und eine Nutzung sowohl als Lieferant von Fleisch und Milch als auch als Reittier, die alten Knochen zeigen Abriebspuren durch Halfter. Spä- ter kam das Pferd auch nach Westeuropa und dort wurde es in den letzten Jahrhunderten zu dem feinnervigen Vollblut veredelt, das vielen die Augen und das Herz übergehen lässt.
Auslese bei Hengsten
Aber wie wurde veredelt? Auskunft gaben bisher vor allem die Zuchtbücher, die für die Gene zuständige Wissenschaft hingegen konnte wenig beitragen: Zwar weiß man, dass die Stuten immer wieder mit neuen Genvarianten angereichert wurden, man weiß das aus der kleinen mitochondrialen DNA, die nur von Müttern vererbt wird. Aber bei den Hengsten ist die Analyse schwieriger, das Y-Chromosom ist ohnehin das problematischste, weil es sehr viele repetitive Genabschnitte hat, und das Y der heutigen Pferde hat eine so geringe Variationsbreite, dass bisherige Analysen nichts zu Stammbäumen beitragen konnten.
Nun hat eine Gruppe der VetMed Wien um Barbara Wallner mit verfeinerten Methoden einen neu- en Anlauf genommen und die Y-Chromosomen von 21 europäischen Rassen analysiert (und mit denen von Esel und den letzten Wildpferden: den Przewalski verglichen). Die Pferde Europas zerfallen in zwei Gruppen. Eine kleine, heimisch gebliebene hält sich im Norden (Shetlandpony, Islandpferd, Norwegisches Fjordpferd), alle anderen, an der Spitze das für die Zucht wichtige Englische Vollblut, haben ihr edles Blut aus dem Orient, und dort aus zwei Regionen: Seit etwa 700 Jahren immer wieder eingekreuzt wurden Araber (von der Arabischen Halbinsel) und Turkmenen (aus den dortigen Steppen), und das so oft, dass vom alten Y-Chromosom kaum mehr etwas da ist (Current Biology 29. 6.).
„Die Sequenzierdaten stimmen mit den Aufzeichnungen in Zuchtbüchern, die bei manchen Rassen ins 17. Jahrhundert zurück reichen, in den meisten Fällen überein“, schließt Wallner, die ihre Methoden als „zusätzliche Abscherung“beim Erwerb des nicht nur edlen, sondern auch teuren Bluts sieht.