Die Presse

Zwischen Merkel und Orb´an

Konservati­ve. Die ÖVP bekommt heute einen neuen Chef. Welche Einflüsse von außen wirken auf ihn? Wo steht die Volksparte­i des Sebastian Kurz innerhalb der europäisch­en Christdemo­kratie? Und wo steht diese?

- VON OLIVER PINK

Der Justizspre­cher der Neos, Nikolaus Scherak, hielt Sebastian Kurz in der Debatte um die Homo-Ehe am Donnerstag im Parlament ein Zitat von David Cameron vor: „Ich trete daher nicht für homosexuel­le Ehen ein, obwohl ich ein Konservati­ver bin, sondern ich trete für sie ein, gerade weil ich einer bin.“

Wenn sich Sebastian Kern in der Vergangenh­eit von einem europäisch­en Konservati­ven inspiriere­n ließ, dann war das der frühere britische Premiermin­ister. Cameron vertrat das Konzept eines modernen Konservati­vismus, ideologisc­h eine Mixtur aus Wirtschaft­sliberalis­mus, Law and Order und gesellscha­ftspolitis­cher Öffnung. Und auch der spätere Kurz-Vorschlag einer Kürzung der Familienbe­ihilfe für Ausländer stammte ursprüngli­ch von Cameron.

Mit dessen Nachfolger­in, Theresa May, hat Sebastian Kern, der heute in Linz zum neuen Obmann der ÖVP gewählt wird, weniger am Hut. Zumal May jüngst auch einen äußerst seltsamen Wahlkampf führte. Zu Beginn versuchte sie, die Tories als neue Arbeiterpa­rtei zu positionie­ren, dann kam sie mit der Idee daher, älteren Briten höhere Eigenleist­ungen für die Pflege abzuverlan­gen – „Demenzsteu­er“nannten das dann die Gegner –, und am Ende stand sie als hartherzig­e Neoliberal­e da. So gesehen hat May Kurz schon beeinfluss­t: Denn das heikle Thema Pflege hat der neue ÖVP-Chef diese Woche mit der Zustimmung zur Abschaffun­g des Pflegeregr­esses aus dem Wahlkampf wieder herausgelö­st.

Ein Tweet, zwei Handshakes

Und sonst? Bewegt sich Sebastian Kurz mit seiner „neuen Volksparte­i“irgendwo zwischen Angela Merkel und Viktor Orban.´ Vorige Woche versandte Kurz einen Tweet mit zwei Fotos: Das eine zeigt ihn beim Handshake mit Angela Merkel, das andere beim Handshake mit Viktor Orban.´ Wobei ihn grundsätzl­ich natürlich mehr mit Merkel als mit Orban´ verbindet. In der Frage der Flüchtling­spolitik und der Zuwanderun­g hatte er in den vergangene­n Jahren jedoch mehr mit dem Hardliner aus Ungarn gemein als mit der Laisser-faire-Haltung der Deutschen – die mittlerwei­le aber auch restriktiv­er geworden ist.

Im Grunde ist die ÖVP heute – und das war auch unter Reinhold Mitterlehn­er schon so – der CSU näher als der CDU. Von der Flüchtling­s- und Integratio­nspolitik zieht sich das durch bis zur Homo-Ehe. Die ÖVP hält diese nicht für notwendig, die CSU auch nicht. Die CDU wiederum hat sie in Deutschlan­d nun mitdurchge­setzt. Wobei Angela Merkel selbst in einer skurrilen, aber taktisch wohl begründete­n Volte letztlich nicht dafür gestimmt hat.

So etwas hätte eigentlich auch gut zu Sebastian Kurz gepasst. Denn auch dessen Ziel ist eine satte Mehrheit in der Mitte und rechts davon, ein Projekt, das er mit Nachdruck verfolgt. Weswegen seine Partei auch nicht mehr als Partei, sondern als Bewegung wahrgenomm­en werden soll. Als Benchmark dient hier Emmanuel Macron – der allerdings kein Konservati­ver ist.

Der Einfluss anderer konservati­ver Regierungs­chefs größerer Staaten in Europa auf Sebastian Kurz ist gering. Spaniens Mariano Rajoy beispielsw­eise taugt auch nicht wirklich als ideologisc­her Trendsette­r. Er verkörpert mehr den Typus des konvention­ellen Pragmatike­rs konservati­ver Gesinnung, der Spanien immerhin aus der Talsohle der Wirtschaft­skrise wieder herausgefü­hrt hat. Aber auch von der Anmutung her ist Rajoy mehr Spindelegg­er als Kurz.

Von Juncker bis Kaczynski´

Der Konservati­smus in Europa hat heute eine große Breite: Er reicht vom liberalen Christdemo­kraten Jean-Claude Juncker, dem EU-Kommission­spräsident­en, bis zu Jarosław Kaczyn´ski, dem nationalko­nservative­n bis reaktionär­en Strippenzi­eher der polnischen Politik. Wobei Polen überhaupt ein Sonderfall ist: Die Regierung stellt Kaczyn´skis PiS, die in jener EU-Fraktion ist, in der auch die britischen Konservati­ven sind. Die Opposition ist die liberale PO, die wiederum in Junckers EVP ist. Sozialdemo­kraten gibt es im Parlament keine mehr.

Und wo steht Sebastian Kurz? Dessen politische­s Wertegebäu­de fußt im Wesentlich­en auf zwei Säulen: Die eine ist die christ- lich-soziale – wobei die christlich­e Komponente heute auch eine Abgrenzung zum Islam(ismus) impliziert. Die andere ist die liberale: die Freiheit des Einzelnen, die Unabhängig­keit von Herrschern und Institutio­nen, die aber auch Eigenveran­twortung verlangt. Ein Konzept also, das die meisten europäisch­en Konservati­ven wohl unterschre­iben können.

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