Was macht Reinhold Mitterlehner?
Job. Den Ex-ÖVP-Chef plagen keine finanziellen Sorgen – er ist auf der Payroll der WKO. Vorübergehend. Deshalb ist er auf der Suche nach Aufsichtsratsmandaten. Und schreibt an einem Buch.
Im Dezember wird er 62, und er ist auf Jobsuche. Die Frage, wie es ihm geht, beantwortet Reinhold Mitterlehner trotzdem differenziert. Und sehr ehrlich: „Die politischen Streitereien und der Populismus gehen mir nicht ab“, sagt der Ex-ÖVP-Chef. Aber: „Ich war in den fast vier Jahrzehnten in der Wirtschaftskammer und in der Politik halt eine gewisse Tagesstruktur gewohnt.“Die fehlt jetzt natürlich.
Mitterlehner betreibt viel Sport, „aber das ist auf Dauer kein Programm“, wie er weiß. Also ein Job. Aber welcher? Mitterlehner: „Ich will mich da nicht überhastet entscheiden, will aber auch nicht zu lang warten.“Jedenfalls kristallisiert sich immer mehr heraus, dass wohl das Modell Wolfgang Schüssel seines ist. Das da wäre: Unternehmen beratend zur Seite zu stehen – bevorzugt als Mitglied in Aufsichtsräten. Und er arbeitet an einem Buch.
Klar ist für Mitterlehner mittlerweile, was er nicht will: nämlich einen operativen 60-Stunden-Job. „Ich will nicht von der Extrem-Politik in die Extrem-Privatwirtschaft wechseln“, sagt er. Er will auch nicht bei einer internationalen Organisation unterkommen – wie sei- ne Vorgänger Willi Molterer, der Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank wurde. Oder Michael Spindelegger, der als Generaldirektor des Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik anheuerte. Und eine Firma will er erst recht nicht gründen. Wiewohl solch Consultingunternehmen unter Ex-Politikern überaus beliebt sind.
Man hat ja oft nicht viel mehr als einen bekannten Namen und ein herzeigbares Netzwerk vorzuweisen.
Es ist der altbekannte Jammer: Wirtschaftstreibende denken gewöhnlich nicht im Traum daran, sich die Politik anzutun. Und Berufspolitiker leben mit einem enormen wirtschaftlichen Risiko: Ist es mit der Politik vorbei – und das passiert (siehe Mitterlehner) meist von heute auf morgen – dann gibt es nicht rasend viel berufliche Perspektiven. Staatskonzerne sind ja leider rar geworden.
Mitterlehner erzählt, dass es dann durchaus viele Menschen gibt, die nunmehrigen Ex-Politikern zuraunen: „Rühr dich, wennst was brauchst.“Aber wer macht schon so einen Kniefall?
Gut: Mitterlehner muss sich keine existenziellen Sorgen machen. Zwar bekommt er keine Politikerpension, aber er war acht Jahre lang, bis 2008, stellvertretender Generalsekretär der Wirtschaftskammer. Als er dann Wirtschaftsminister wurde, wurde er von der Wirtschaftskammer karenziert. Jetzt ist er dort quasi zurückgekehrt und konsumiert offiziell seinen viermonatigen Resturlaub – zu vollen Bezügen, versteht sich. Und er darf in der Kammer Büroräumlichkeiten nützen.
Mitterlehner betont, dass das mit seinem Rückkehrrecht erstens rechtmäßig sei. Und zweitens nur vorübergehend: Sein Resturlaub sei im September aufgebraucht, und er habe nicht vor, in der Wirtschaftskammer zu bleiben.
Also die berufliche Neuorientierung. Mitterlehner erzählt, dass er Angebote von österreichischen Unternehmen hat, als Berater bei deren NahostExpansion tätig zu werden. „Das schau ich mir gerade an“, sagt er. Gern würde er ab Herbst Mandate in Aufsichtsräten oder Verwaltungsräten annehmen – und da wären ihm Angebote aus dem Ausland zu wünschen: Österreichische Aufsichtsratsmitglieder müssen sich ja mit dem berühmten Netsch begnügen. Da hat es Wolfgang Schüssel, ebenfalls einst Wirtschaftsminister, ganz gut getroffen: Er sitzt seit Jahren im Kontrollgremium des deutschen Energiekonzerns RWE. Kein Vergleich zum Aufsichtsratsmandat, das er beim Tiergarten Schönbrunn hat – sowohl inhaltlich als auch finanziell.
Aber solch lukrative Mandate sind natürlich schon ein besonde- rer Glücksfall. Klar: Energiekonzerne wie RWE suchen Ex-Politiker, die sich in der Branche auskennen und vor allem hervorragende Kontakte haben. Aber so ein Mandat muss nun einmal erst frei werden. Es muss alles seine Richtigkeit haben.
Derweil schreibt Mitterlehner an einem Buch über die Wirtschaftskrise 2009. Damit hat er schon begonnen, als er „nur“ÖVPWirtschaftsminister war, mit dem Manz-Verlag hatte er damals auch schon gesprochen, doch dann kam ihm die Parteiführung dazwischen und das Projekt wurde vorübergehend schubladisiert. „Das Buch ist jetzt schon weit gediehen“, sagt Mitterlehner.
Daneben arbeitet er auch an einer Dokumentation der Hintergründe seines Rücktritts Mitte Mai. Es soll eine Art Vergangenheitsbewältigung sein. „Man kann ja nicht einfach einen Schlussstrich ziehen, das muss aufgearbeitet werden“, sagt er.
Ob diese Dokumentation auch als Buch erscheint? „Ja, eventuell schon“, meint Mitterlehner. Eine Rückkehr ins Rampenlicht wäre ihm dann sicher.