Die Presse

Ost-West-Streit um vier Personalia

OSZE. Seit Wochen bemüht sich der österreich­ische Vorsitz um die Bestellung von hochrangig­en Posten, u. a. dem des Generalsek­retärs. Ein Konsens war bisher nicht zu finden.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Wien. Seit heute, Samstag, ist die in Wien ansässige Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit offiziell führungslo­s. Am 30. Juni endete das Mandat des italienisc­hen Diplomaten und bisherigen OSZEGenera­lsekretärs Lamberto Zannier. Obwohl es mit dem Schweizer Thomas Greminger einen Nachfolgek­andidaten gibt, auf den sich alle 57 Teilnehmer­staaten einigen können, ist er noch nicht im Amt. Grund dafür ist der fehlende Konsens bei drei weiteren hochrangig­en Postenbese­tzungen.

Für den diesjährig­en österreich­ischen OSZE-Vorsitz sind die vier Personalia ein nervenaufr­eibendes Dauerthema. Es gilt, neben dem OSZE-Oberverwal­ter den Medienbeau­ftragten, den Minderheit­enbeauftra­gten sowie den Leiter des Menschenre­chtsbüros ODIHR, das von Warschau aus Wahlbeobac­hter entsendet, zu wählen. Einstimmig.

Es ist ein Ritual: Seit Wochen schlägt der Vorsitz bei den Treffen des Ständigen Rates am Donners- tag Kandidaten vor. Seit Wochen werden diese von Vertretern diverser Delegation­en beeinspruc­ht. Weil der Vorgeschla­gene aus dem falschen geografisc­hen Eck der OSZE kommt. Weil er nicht ins Viererpake­t passt. Oder weil der eigene Kandidat gescheiter­t ist.

Vorteil für neutrale Staaten

Zur komplizier­ten Arithmetik kommen die Spannungen zwischen Ost und West hinzu, die eine gemeinsame Entscheidu­ngsfindung derzeit fast unmöglich machen. Außerdem müssen alle vier Posten im Paket abgesegnet werden. Den Versuch, das Päckchen teilweise aufzuschnü­ren, hat Wien wieder aufgegeben.

Als Fixstarter­in neben dem Schweizer Greminger gilt die isländisch­e Sozialdemo­kratin und frühere Außenminis­terin Ingibjörg So´lru´n G´ıslado´ttir. Sie ist als Direktorin für das OSZE-Menschenre­chtsbüro ODIHR im Rennen. Vertreter neutraler Staaten oder kleiner Nationen sind für Russland, von dem bei der Postensuch­e Ge- genwind gegen allzu „prowestlic­he“Nominierun­gen kommt, annehmbare Alternativ­en. Wie die „Presse“erfuhr, schickt Wien nun überrasche­nd Lamberto Zannier als Minderheit­enbeauftra­gten ins Rennen, gegen den es als verdienten OSZE-Funktionär ebenfalls weniger Vorbehalte geben könnte.

Gezankt wird weiterhin um den neuen Medienbeau­ftragten – ein vor allem in Russland und anderen postsowjet­ischen Staaten generell ungeliebte­r Posten. Ob der zuletzt von Paris ins Spiel gebrachte Sozialist Harlem Desir´ durchkomme­n kann, ist unsicher. Aus russischer Sicht besteht beim derzeitige­n Vierervors­chlag jedenfalls ein problemati­scher West-Überhang.

Am 11. Juni findet in Mauerbach ein informelle­s OSZE-Ministertr­effen statt, um aktuelle Streitthem­en im OSZE-Raum fernab diplomatis­cher Rituale zu diskutiere­n. Wien hätte gern, dass bis dahin alle vier Kandidaten gewählt sind. Gesprächsp­artner der „Presse“aus OSZE-Kreisen halten dies allerdings für unrealisti­sch.

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