Die getriebene Taktikerin
Angela Merkel machte es beim Votum für die „Ehe für alle“allen recht.
Es war wie so oft bei Angela Merkel: Das kontroversielle Thema „Ehe für alle“war in Berlin jahrelang auf dem Tapet – und wurde von der Großen Koalition auf die lange Bank geschoben. Umso blitzartiger ging es am Ende: Bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit die Gleichstellung von Homosexuellen. Auch ein Viertel der Unionsfraktion votierte für die Liberalisierung – nicht aber die von der SPD jäh ausgetrickste Kanzlerin.
Merkel hatte die Abstimmung als Gewissensfrage freigegeben und so ein Signal für Liberalität und Offenheit gesetzt. Schließlich sind mehr als 80 Prozent der Deutschen für eine Gleichstellung – eine Mehrheit, die noch vor Jahren undenkbar schien. Wie bei der Abschaffung der Wehrpflicht und der Nutzung der Atomkraft, zwei „heiligen Kühen“der Konservativen, kam der Sinneswandel Merkels unversehens, beinahe beiläufig und über Nacht. Eigentlich wollte sie sich die Tolerierung der „Ehe für alle“bei Koalitionsverhandlungen im Herbst teuer abkaufen lassen.
Anders als der britische Ex-Premier David Cameron, der das Thema forcierte, wirkte dies bei Merkel eher wie eine Panne der Politik. Sie machte es allen Seiten recht und erscheint so als Meistertaktikerin. Da sie selbst dagegen gestimmt hat, hält sie die stramm konservative Klientel und die CSU bei der Stange. Im anlaufenden Wahlkampf ist die Streitfrage indes elegant vom Tisch.