May profitiert von zerstrittenen Gegnern
Großbritannien. Premierministerin Theresa May gewann eine Vertrauensabstimmung im Parlament. Die oppositionelle Labour-Partei ist zerstritten. Deshalb kann die Regierungschefin auch ihren Brexit-Kurs fortsetzen.
London. Die britische Premierministerin, Theresa May, darf aufatmen: Mit knapper Mehrheit von 323 zu 309 Stimmen hat sie diese Woche die Vertrauensabstimmung im Parlament über das Arbeitsprogramm ihrer Regierung gewonnen. Zudem brachte eine Zusatzabstimmung über den Brexit eine tiefe Spaltung in der oppositionellen Labour Party zum Vorschein, die May hoffen lassen darf.
Noch vor der Abstimmung über die „Queen’s Speech“– das Regierungsprogramm – hatte der Labour-Abgeordnete Chuka Umunna einen Antrag eingebracht, wonach Großbritannien nach Verlassen der EU sowohl Mitglied im Binnenmarkt als auch der Zollunion bleiben solle. Wer seit der Wahl am 8. Juni, die für May den Verlust der absoluten Mehrheit gebracht hatte, auf einen „soft Brexit“hoffte, wurde enttäuscht: Die LabourFührung schrieb den 262 Abgeordneten ihrer Partei die Stimmenenthaltung vor.
Der Antrag wurde mit 322 zu 101 Stimmen abgelehnt. Unter den Unterstützern waren aber nicht weniger als 49 Labour-Abgeordnete, die sich der Parteiführung widersetzten. Labour-Chef Jeremy Corbyn verlor noch in der Nacht auf Freitag vier Vertreter seines Schattenkabinetts: Er entließ die Abgeordneten Catherine West, Andy Slaughter und Ruth Cadbury, während Daniel Zeichner von sich aus zurücktrat: „Ich bin ein überzeugter Europäer und ein ehrlicher Politiker“, begründete er seinen „hard Exit“aus dem Labour-Führungskreis. Glanz und Gloria der Labour Party nach dem überraschenden Gewinn von 30 Manda- ten in der Wahl Anfang Juni sind damit bereits wieder verblichen.
Allzu viel Grund zur Schadenfreude hatte May allerdings nicht. Ihr Pakt mit den nordirischen Unionisten von der DUP bleibt weiter heftig umstritten – und das nicht nur wegen Versprechen auf zusätzliche Mittel von 1,5 Milliarden Pfund für die Unruheprovinz allein in den kommenden zwei Jahren. „Ich kann meinen Ärger kaum in Worte fassen“, twitterte die konservative Abgeordnete Heidi Mann. Die schottische Oppositionsabgeordnete Alison Thewliss spottete: „Die zehn DUP-Abgeordneten kosten mehr als [der Fußballer Cristiano] Ronaldo.“
Sparkurs aufgeweicht
Die Tatsache, dass die Regierung May an einem seidenen Faden hängt, macht sie erpressbar und weckt Begehrlichkeiten. Nachdem beispielsweise ruchbar wurde, dass bis zu 40 der 317 Tory-Abgeordneten für einen Antrag der LabourAbgeordneten Stella Creasy stimmen würden, schwenkte die Regierung plötzlich ein. Künftig wird der staatliche Gesundheitsdienst NHS die Kosten von Abtreibungen nordirischer Frauen im restlichen Großbritannien übernehmen.
Der nächste Umfaller könnte bald folgen: Auf massiven Druck aus den eigenen Reihen soll May bereit sein, die Deckelung für Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst von einem Prozent aufzugeben. Nur Schatzkanzler Philip Hammond widersetze sich noch dem offiziellen Ende der Sparpolitik nach sieben Jahren, heißt es in politischen Kreisen. Labour-Finanzsprecher John McDonnell bezeichnet das Regierungsprogramm bereits als „fadenscheinigen Fetzen Papier“.