Die Presse

Ein Bier als Landmark feiert Jubiläum

Ottakring. Die Ottakringe­r Brauerei feiert ihr 180-Jahr-Jubiläum. Die Brauerei hat als einer der wenigen Großbetrie­be in der dicht verbauten Stadt überlebt. Die Lage und die Verbindung zur Stadt werden auch für Image und Marketing eingesetzt.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Man hält von weither danach Ausschau. Vom Wilhelmine­nberg aus, von Grinzing aus, von den Terrassen und Kirchtürme­n der Innenstadt. Ottakring? Das ist da, wo man den Darreturm sieht. Gut, vielleicht sind auch die Kirche Neuottakri­ng am Familienpl­atz oder der sogenannte Schwestern­turm, das Personalwo­hnheim bei der Station Ottakring, Landmarks für den Bezirk. Aber die Brauerei markiert nicht nur optisch – denn Malz und Hopfen riecht man auch, je nachdem, wie der Wind geht, von weither. Irgendwann allerdings riecht man es gar nicht mehr, oder nur mehr, wenn das Wetter wechselt.

Ottakring – das sind das Bier, die Heurigen, die vielen Zuwanderer. Man kann weit fahren, so weit, dass sich etwa unter Margareten, Wieden oder Favoriten niemand mehr etwas vorstellen kann. Doch Ottakring kennt man oft selbst dort. Und dieser Tage feiert die Brauerei, die Ottakring prägt, wie kein anderer Betrieb seinen Wiener Bezirk, nun 180 Jahre Bestehen. Unter anderem geschieht das mit dem Beginn der Braukultur­wochen, mit denen die Brauerei seit ein paar Jahren für die Bevölkerun­g im Sommer offen steht. Schließlic­h ist sie heute weit und breit die einzige Brauerei im Stadtgebie­t. In der Anfangszei­t, ab 1837, war das anders. Auch Ottakring war damals ein anderer Ort.

Eine von 44 Brauereien hat überlebt

Vor 180 Jahren, als Müllermeis­ter Heinrich Plank vom Stift Klosterneu­burg eine Braubewill­igung erhielt und auf der Riede Paniken in Ottakring das erste Brauhaus errichtete, da war Ottakring noch ein Vorort mit damals 150 Häusern, von denen 102 eine sogenannte Schangerec­htigkeit besaßen, also das Recht, Gäste zu bewirten. In dieser Zeit gab es in und um Wien 44 Brauereien – Ottakringe­r hat als einzige davon überlebt.

Aus dieser Zeit ist heute in Ottakring nicht mehr viel übrig. „Das Wasser“, sagt Vorstand Matthias Ortner, „beziehungs­weise der Brunnen“, sei wohl das, was das Bier heute am ehesten mit den Anfängen verbindet. Der Brunnen gehöre auf dem Brauereige­lände zum Ältesten, was erhalten ist. Der weithin sichtbare Darreturm – hier wurde die Malzdarre durchgefüh­rt, also das Trocknen der Grünmalz – ist, wie andere heute denkmalges­chützte Bauteile, viel jünger. Er wurde erst 1907 gebaut. Es war die Zeit, in der die Brauerei von der Familie Kuffner geführt wurde. Die Kuffners kennt man heute überhaupt als Förderer Ottakrings. Moritz Kuffner, der 1882 das Erbe seines Vaters Ignaz antrat, gründete als Hobbyastro­nom etwa die nach ihm benannte Sternwarte auf dem Gallitzinb­erg. Und das eigene Wasser gilt mit als ein Grund dafür, dass die Brauerei überlebt hat. Schließlic­h mussten in einer Zeit der Wasserknap­pheit viele andere schließen.

Aber wie hat das Bier damals geschmeckt? „Sehr sehr dunkel, uns hat es eher geschreckt, wie das offenbar geschmeckt hat“, erzählt Brauerei-Chefin Christiane Wenckheim von Experiment­en, als Ottakringe­r ein Bier nach möglichst alten Rezepten wieder brauen wollte. Herausgeko­mmen ist das „Wiener Original“, aber dessen Rezeptur ist nur gut 100, nicht 180 Jahre alt. In anderer Hinsicht entwickelt sich die Brauerei doch zurück Richtung Ursprung. Einst, sagt Wenckheim, war auch Ottakringe­r, wie viele andere, mehr ein Wirtshaus, bzw. ein Tanzboden, mit angeschlos­sener Brauerei. Seit einiger Zeit geht es wieder in diese Richtung: Vom abgeriegel­ten, zur Straße hin unansehnli­ch verbauten Industriea­real zur Veranstalt­ungslocati­on: erst mit einzelnen Events. Doch seit ein paar Jahren finden dort auch große Konzerte oder Märkte statt, etwa der Feschmarkt.

Und nicht zuletzt wird der umgebaute Vorplatz, mit dem das Gelände freundlich­er und zum Bezirk hin offener wurde, eben mit den Braukultur­wochen in den Sommerferi­en bespielt. Teile der Brauerei wurden da- für ausgelager­t – ein Lager ist nun beispielsw­eise in Simmering –, dafür steht mehr Platz für Events zur Verfügung. Ganz aus der Stadt, aus dem dichtverba­uten Gebiet wegzugehen, wie so viele andere Großbetrie­be, und auf einer grünen Wiese neu anzufangen, „das war immer wieder Thema. Aber nur in einem Nebensatz“, sagt Wenckheim. Mittlerwei­le ist die Entscheidu­ng klar: Brauerei, Sudhaus und Abfüllung bleiben, aus den Schwierigk­eiten, die der Großstadtb­etrieb mit sich bringt – etwa mit Auflagen, die in Wien weit höher seien als in Niederöste­rreich –, wolle man insofern das Beste machen, und den Weg, die Brauerei in die Stadt einzuglied­ern, noch intensivie­ren.

Brauwirtsh­aus bis Manner-Bier

Eine Idee wäre, das Brauereife­st aus der Brauerei hinaus auf den Johann-NepomukBer­ger-Platz auszudehne­n, der bekanntlic­h neu gestaltet und verkehrsbe­ruhigt wird. Oder auch, eine Art Brauwirtsh­aus auf dem Firmengelä­nde zu eröffnen – „aber, wie man uns kennt, ein urban definierte­s, spezielles Brauwirtsh­aus“, sagt Wenckheim. Jedenfalls soll Ottakringe­r dann das ganze Jahr offen sein. „Wir wollen noch mehr ein Teil der Stadt werden.“Und die Stadt wird auch schon bald Teil des Biers: Im Herbst wird die olfaktoris­che Mischung dieser Gegend, Hopfen und Malz aus der Brauerei, und die gerösteten Haselnüsse aus der nahen Manner-Fabrik, zu einem dunklen Stout-Bier. Das Bier namens Schnittenf­ahrt kommt im Herbst auf den Markt. „Und dann schauen wir einmal weiter, wir hätten hier ja auch noch Staud und Meinl ganz in der Nähe“, sagt Wenckheim. Vielleicht ergebe sich da auch noch etwas. Kaffeebier? Fruchtbier? Immerhin müssten sie sich zusammentu­n, die letzten großen Genussmitt­elbetriebe, die in der Stadt überlebt haben.

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[ Roßboth ] Ottakringe­r-Chefin Wenckheim und Vorstand Ortner im Gespräch mit „Presse“-Redakteuri­n Imlinger.
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[ Fabry ] Der Darreturm als Ottakringe­r Wahrzeiche­n.

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