Ein Bier als Landmark feiert Jubiläum
Ottakring. Die Ottakringer Brauerei feiert ihr 180-Jahr-Jubiläum. Die Brauerei hat als einer der wenigen Großbetriebe in der dicht verbauten Stadt überlebt. Die Lage und die Verbindung zur Stadt werden auch für Image und Marketing eingesetzt.
Wien. Man hält von weither danach Ausschau. Vom Wilhelminenberg aus, von Grinzing aus, von den Terrassen und Kirchtürmen der Innenstadt. Ottakring? Das ist da, wo man den Darreturm sieht. Gut, vielleicht sind auch die Kirche Neuottakring am Familienplatz oder der sogenannte Schwesternturm, das Personalwohnheim bei der Station Ottakring, Landmarks für den Bezirk. Aber die Brauerei markiert nicht nur optisch – denn Malz und Hopfen riecht man auch, je nachdem, wie der Wind geht, von weither. Irgendwann allerdings riecht man es gar nicht mehr, oder nur mehr, wenn das Wetter wechselt.
Ottakring – das sind das Bier, die Heurigen, die vielen Zuwanderer. Man kann weit fahren, so weit, dass sich etwa unter Margareten, Wieden oder Favoriten niemand mehr etwas vorstellen kann. Doch Ottakring kennt man oft selbst dort. Und dieser Tage feiert die Brauerei, die Ottakring prägt, wie kein anderer Betrieb seinen Wiener Bezirk, nun 180 Jahre Bestehen. Unter anderem geschieht das mit dem Beginn der Braukulturwochen, mit denen die Brauerei seit ein paar Jahren für die Bevölkerung im Sommer offen steht. Schließlich ist sie heute weit und breit die einzige Brauerei im Stadtgebiet. In der Anfangszeit, ab 1837, war das anders. Auch Ottakring war damals ein anderer Ort.
Eine von 44 Brauereien hat überlebt
Vor 180 Jahren, als Müllermeister Heinrich Plank vom Stift Klosterneuburg eine Braubewilligung erhielt und auf der Riede Paniken in Ottakring das erste Brauhaus errichtete, da war Ottakring noch ein Vorort mit damals 150 Häusern, von denen 102 eine sogenannte Schangerechtigkeit besaßen, also das Recht, Gäste zu bewirten. In dieser Zeit gab es in und um Wien 44 Brauereien – Ottakringer hat als einzige davon überlebt.
Aus dieser Zeit ist heute in Ottakring nicht mehr viel übrig. „Das Wasser“, sagt Vorstand Matthias Ortner, „beziehungsweise der Brunnen“, sei wohl das, was das Bier heute am ehesten mit den Anfängen verbindet. Der Brunnen gehöre auf dem Brauereigelände zum Ältesten, was erhalten ist. Der weithin sichtbare Darreturm – hier wurde die Malzdarre durchgeführt, also das Trocknen der Grünmalz – ist, wie andere heute denkmalgeschützte Bauteile, viel jünger. Er wurde erst 1907 gebaut. Es war die Zeit, in der die Brauerei von der Familie Kuffner geführt wurde. Die Kuffners kennt man heute überhaupt als Förderer Ottakrings. Moritz Kuffner, der 1882 das Erbe seines Vaters Ignaz antrat, gründete als Hobbyastronom etwa die nach ihm benannte Sternwarte auf dem Gallitzinberg. Und das eigene Wasser gilt mit als ein Grund dafür, dass die Brauerei überlebt hat. Schließlich mussten in einer Zeit der Wasserknappheit viele andere schließen.
Aber wie hat das Bier damals geschmeckt? „Sehr sehr dunkel, uns hat es eher geschreckt, wie das offenbar geschmeckt hat“, erzählt Brauerei-Chefin Christiane Wenckheim von Experimenten, als Ottakringer ein Bier nach möglichst alten Rezepten wieder brauen wollte. Herausgekommen ist das „Wiener Original“, aber dessen Rezeptur ist nur gut 100, nicht 180 Jahre alt. In anderer Hinsicht entwickelt sich die Brauerei doch zurück Richtung Ursprung. Einst, sagt Wenckheim, war auch Ottakringer, wie viele andere, mehr ein Wirtshaus, bzw. ein Tanzboden, mit angeschlossener Brauerei. Seit einiger Zeit geht es wieder in diese Richtung: Vom abgeriegelten, zur Straße hin unansehnlich verbauten Industrieareal zur Veranstaltungslocation: erst mit einzelnen Events. Doch seit ein paar Jahren finden dort auch große Konzerte oder Märkte statt, etwa der Feschmarkt.
Und nicht zuletzt wird der umgebaute Vorplatz, mit dem das Gelände freundlicher und zum Bezirk hin offener wurde, eben mit den Braukulturwochen in den Sommerferien bespielt. Teile der Brauerei wurden da- für ausgelagert – ein Lager ist nun beispielsweise in Simmering –, dafür steht mehr Platz für Events zur Verfügung. Ganz aus der Stadt, aus dem dichtverbauten Gebiet wegzugehen, wie so viele andere Großbetriebe, und auf einer grünen Wiese neu anzufangen, „das war immer wieder Thema. Aber nur in einem Nebensatz“, sagt Wenckheim. Mittlerweile ist die Entscheidung klar: Brauerei, Sudhaus und Abfüllung bleiben, aus den Schwierigkeiten, die der Großstadtbetrieb mit sich bringt – etwa mit Auflagen, die in Wien weit höher seien als in Niederösterreich –, wolle man insofern das Beste machen, und den Weg, die Brauerei in die Stadt einzugliedern, noch intensivieren.
Brauwirtshaus bis Manner-Bier
Eine Idee wäre, das Brauereifest aus der Brauerei hinaus auf den Johann-NepomukBerger-Platz auszudehnen, der bekanntlich neu gestaltet und verkehrsberuhigt wird. Oder auch, eine Art Brauwirtshaus auf dem Firmengelände zu eröffnen – „aber, wie man uns kennt, ein urban definiertes, spezielles Brauwirtshaus“, sagt Wenckheim. Jedenfalls soll Ottakringer dann das ganze Jahr offen sein. „Wir wollen noch mehr ein Teil der Stadt werden.“Und die Stadt wird auch schon bald Teil des Biers: Im Herbst wird die olfaktorische Mischung dieser Gegend, Hopfen und Malz aus der Brauerei, und die gerösteten Haselnüsse aus der nahen Manner-Fabrik, zu einem dunklen Stout-Bier. Das Bier namens Schnittenfahrt kommt im Herbst auf den Markt. „Und dann schauen wir einmal weiter, wir hätten hier ja auch noch Staud und Meinl ganz in der Nähe“, sagt Wenckheim. Vielleicht ergebe sich da auch noch etwas. Kaffeebier? Fruchtbier? Immerhin müssten sie sich zusammentun, die letzten großen Genussmittelbetriebe, die in der Stadt überlebt haben.