Ein Staatsakt fernab von Bonn und Berlin
Die Zeremonie im Europaparlament in Straßburg war auch als Zeichen gegen die Gegner Helmut Kohls konzipiert.
Angela Merkel war nicht eingeweiht in den Plan, und nach dem Willen der Kanzlerwitwe und Nachlassverwalterin, Maike Kohl-Richter, war die Regierungschefin auch nicht als Trauerrednerin beim Europäischen Staatsakt für Helmut Kohl in Straßburg vorgesehen. Als die Kanzlerin davon erfuhr, reagierte sie perplex. Die demonstrative Degradierung Merkels zur Statistin wäre ein Affront und ein Zeichen der Unversöhnlichkeit und der Rachsucht gegenüber der Nachfolgerin als CDU-Chefin.
Als Generalsekretärin hatte sie einst den Denkmalsturz Kohls in der Parteispendenaffäre betrieben, was Kohl ihr noch lang nachtrug. Merkel habe als Ministerin bei Staatsempfängen herumgelungert, ohne Tischmanieren, ätzte er gegenüber Vertrauten. Jeden „Verräter“verfolgte der Patriarch mit geradezu unheiligem biblischen Zorn.
Steinmeier auf schwarzer Liste
CDU-Politiker und vor allem Kai Diekmann, der langjährige Ex-„Bild“-Chefredakteur, Trauzeuge und Intimus Kohls in dessen letzten Jahren mit Exklusivzugang zum Bungalow des Altkanzlers in Oggersheim, überredeten Kohl-Richter schließlich dazu, von der ursprünglichen Liste der Trauerredner abzulassen. Anstelle Merkels sollte in Straßburg ausgerechnet Viktor Orban,´ der ungarische Premier, das Wort ergreifen. Dazu wird es nun nicht kommen. Orban´ ist in Berlin wie in Brüssel nicht sonderlich gelitten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bleibt ein öffentlicher Nachruf im Europaparlament indessen versagt. Der frühere SPD-Adlatus Gerhard Schröders, der als Kanzleramtsminister eine Durchsuchung der Büros im Bonner Kanzleramt angeordnet hatte, stand bei den Kohls ganz oben auf der schwarzen Liste.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte die Zeremonie für den deutschen Langzeit-Kanzler in vertraulichen Gesprächen mit Kohls zweiter Frau eingefädelt. Der Staatsakt im elsässischen Straßburg, am Rhein gelegen – der deutsch-französischen Lebensader –, soll den großen Europäer würdigen. Luxemburgs konservativen langjährigen Premier verband eine enge Freundschaft mit dem „schwarzen Riesen“, Kohl sah in ihm sogar seinen legitimen politischen Erben – am liebsten gar als Kanzler in Berlin.
Politische Männerfreundschaften
Fix gebucht als Trauerredner waren neben Juncker, seinem EU-Kollegen Donald Tusk und dem Parlamentspräsidenten und Hausherrn Antonio Tajani – allesamt Christdemokraten – Bill Clinton und Felipe Gonzalez.´ Mit dem früheren US-Präsidenten teilte Kohl das Faible fürs Essen, für die politische Analyse und die Jovialität. Zum spanischen ExPremier, einem Sozialdemokraten, hatte Kohl im Zuge der Wiedervereinigung ein Naheverhältnis entwickelt. Als französischer Staatschef und politischer „Enkel“Francois¸ Mitterrands war auch Emmanuel Macron, der neue Mann im Elysee-´Palast, eine logische Wahl, um die deutsch-französischen Bande – seit den Zeiten Adenauers und De Gaulles sakrosankt – zu zelebrieren.
Glanzvoller Höhepunkt sollte die Eloge Michail Gorbatschows werden. Doch Kohls russischer Männerfreund musste krankheitshalber absagen. Für ihn springt Premier Dmitrij Medwedew ein.