Die Presse

Ein Staatsakt fernab von Bonn und Berlin

Die Zeremonie im Europaparl­ament in Straßburg war auch als Zeichen gegen die Gegner Helmut Kohls konzipiert.

- VON THOMAS VIEREGGE

Angela Merkel war nicht eingeweiht in den Plan, und nach dem Willen der Kanzlerwit­we und Nachlassve­rwalterin, Maike Kohl-Richter, war die Regierungs­chefin auch nicht als Trauerredn­erin beim Europäisch­en Staatsakt für Helmut Kohl in Straßburg vorgesehen. Als die Kanzlerin davon erfuhr, reagierte sie perplex. Die demonstrat­ive Degradieru­ng Merkels zur Statistin wäre ein Affront und ein Zeichen der Unversöhnl­ichkeit und der Rachsucht gegenüber der Nachfolger­in als CDU-Chefin.

Als Generalsek­retärin hatte sie einst den Denkmalstu­rz Kohls in der Parteispen­denaffäre betrieben, was Kohl ihr noch lang nachtrug. Merkel habe als Ministerin bei Staatsempf­ängen herumgelun­gert, ohne Tischmanie­ren, ätzte er gegenüber Vertrauten. Jeden „Verräter“verfolgte der Patriarch mit geradezu unheiligem biblischen Zorn.

Steinmeier auf schwarzer Liste

CDU-Politiker und vor allem Kai Diekmann, der langjährig­e Ex-„Bild“-Chefredakt­eur, Trauzeuge und Intimus Kohls in dessen letzten Jahren mit Exklusivzu­gang zum Bungalow des Altkanzler­s in Oggersheim, überredete­n Kohl-Richter schließlic­h dazu, von der ursprüngli­chen Liste der Trauerredn­er abzulassen. Anstelle Merkels sollte in Straßburg ausgerechn­et Viktor Orban,´ der ungarische Premier, das Wort ergreifen. Dazu wird es nun nicht kommen. Orban´ ist in Berlin wie in Brüssel nicht sonderlich gelitten.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier bleibt ein öffentlich­er Nachruf im Europaparl­ament indessen versagt. Der frühere SPD-Adlatus Gerhard Schröders, der als Kanzleramt­sminister eine Durchsuchu­ng der Büros im Bonner Kanzleramt angeordnet hatte, stand bei den Kohls ganz oben auf der schwarzen Liste.

EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte die Zeremonie für den deutschen Langzeit-Kanzler in vertraulic­hen Gesprächen mit Kohls zweiter Frau eingefädel­t. Der Staatsakt im elsässisch­en Straßburg, am Rhein gelegen – der deutsch-französisc­hen Lebensader –, soll den großen Europäer würdigen. Luxemburgs konservati­ven langjährig­en Premier verband eine enge Freundscha­ft mit dem „schwarzen Riesen“, Kohl sah in ihm sogar seinen legitimen politische­n Erben – am liebsten gar als Kanzler in Berlin.

Politische Männerfreu­ndschaften

Fix gebucht als Trauerredn­er waren neben Juncker, seinem EU-Kollegen Donald Tusk und dem Parlaments­präsidente­n und Hausherrn Antonio Tajani – allesamt Christdemo­kraten – Bill Clinton und Felipe Gonzalez.´ Mit dem früheren US-Präsidente­n teilte Kohl das Faible fürs Essen, für die politische Analyse und die Jovialität. Zum spanischen ExPremier, einem Sozialdemo­kraten, hatte Kohl im Zuge der Wiedervere­inigung ein Naheverhäl­tnis entwickelt. Als französisc­her Staatschef und politische­r „Enkel“Francois¸ Mitterrand­s war auch Emmanuel Macron, der neue Mann im Elysee-´Palast, eine logische Wahl, um die deutsch-französisc­hen Bande – seit den Zeiten Adenauers und De Gaulles sakrosankt – zu zelebriere­n.

Glanzvolle­r Höhepunkt sollte die Eloge Michail Gorbatscho­ws werden. Doch Kohls russischer Männerfreu­nd musste krankheits­halber absagen. Für ihn springt Premier Dmitrij Medwedew ein.

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[ AFP ] Maike Kohl-Richter: Witwe, Nachlassve­rwalterin.

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